Einführung

Grundlagen / Forschungsgeschichte

Das hier vorgestellte Projekt basiert auf einer Materialsammlung von Dr. Gustav Voit (1923-2001), die jedoch aufgrund von Krankheit und Tod in den Anfängen geblieben war. Sie stützte sich auf mancherlei Vorarbeiten. Bereits der Nürnberger Ratsschreiber Johannes Müllner hatte in seinen 1623 vollendeten Annalen die "alte" und die 1504 eroberte "neue" Landschaft mit ihren Burgen und Sitzen geschildert; seine historischen Angaben sind meist archivalischen Quellen entnommen. M. J. Lehner-Burgstalls Führer durch die nähere Umgebung Nürnbergs "unter besonderer Berücksichtigung der Herrensitze" (2. Auflage von 1913) sowie Georg Gärtners Streifzüge "Rund um Nürnberg" bzw. "Alt-Nürnbergische Landschaft" (1926/28) waren freilich weitgehend überholt und auch nicht besonders zuverlässig. Mit den militärisch-politischen Aspekten der Herrensitze (vor allem im Gebiet der beiden Reichswälder) befasste sich 1954 Gerhard Pfeiffer in seinem Aufsatz über die "Offenhäuser der Reichsstadt Nürnberg".

Immerhin 81 Objekte beschrieb Renate Freitag-Stadler 1972 im Anhang ihrer Dissertation über die Herrensitze im Bereich der Reichsstadt Nürnberg, doch beschränkte sie sich dabei auf eine knappe Zusammenfassung nach der älteren Literatur und der häufig unzureichenden Inventarisation der Kunstdenkmäler. Wilhelm Schwemmer bot 1979 in der Reihe "Bavaria Antiqua" eine gut bebilderte Übersicht ("Alt-Nürnberger Herrensitze, des Rates wehrhafte Offenhäuser"). Den Versuch einer Typologie unternahm 20 Jahre später Jörg Rainer Ruthrof in seiner Magisterarbeit über "Nürnberger Herrensitze der Renaissance", die zwar ebenfalls reich illustriert ist, aber in vieler Hinsicht Lücken und Fehler aufweist. Das Stadtlexikon Nürnberg aus dem Jahr 1999 berücksichtigt nur die wichtigsten Objekte und auch diese nur in knapper Form.

Angesichts der erwähnten Mängel war das Vorhaben Gustav Voits ein Desiderat der Nürnberger Geschichte. Für die 246 von ihm erfassten Objekte erstellte er jeweils einen kurzen Text mit Hinweisen auf die ausgewerteten Quellen und Literatur. Zwar war das Werk über eine nur teilweise ausgearbeitete Materialsammlung nicht hinausgekommen, doch hatte damit eine Grundlage geschaffen, um die Burgen und Herrensitze der Nürnberger Landschaft erstmals annähernd vollständig vorstellen zu können.

Räumliche Abgrenzung

Die von Gustav Voit getroffene Objektauswahl deckte sich räumlich weder mit dem heutigen Landkreis Nürnberger Land noch mit dem historischen, 1806 untergegangenen Territorium der Reichsstadt Nürnberg, der Alt-Nürnberger Landschaft. So hatte er Burgen und Herrensitze der südlichen Landkreise Forchheim und Bayreuth einbezogen, auch wenn sie einst weder im Nürnberger Territorium lagen noch in Besitz der Reichsstadt waren. Dagegen fehlen im Westen und Süden die bedeutende Nürnberger Festung Lichtenau bei Ansbach und die einst pfalz-sulzbachische Hofmark Eismannsberg, heute Gemeindeteil der Stadt Altdorf.

Wir verständigten uns darauf, sowohl die alte als auch die neue Nürnberger Landschaft zu bearbeiten. Daher wurden einerseits der heutige Landkreis Nürnberger Land und die kreisfreie Stadt Nürnberg außerhalb der Stadtbefestigung (sowie Stein, das bis 1972 zum alten Landkreis Nürnberg gehörte), andererseits aber auch das alte Landgebiet, bestehend aus den Bezirken der reichsstädtischen Wald- und der Pflegämter, herangezogen. Die Ämter Allersberg, Heideck und Hilpoltstein, im 16. Jahrhundert zeitweise in Nürnberger Pfandbesitz, wurden dagegen nicht berücksichtigt. Um das Gebiet einigermaßen geschlossen darstellen zu können, wurden die brandenburg-ansbachischen, brandenburg-bayreuthischen, hochstiftisch-bambergischen und pfalzbayerischen Enklaven sowie die Burgen Riegelstein, Spies und Lichtenegg integriert.

Begriffliche Abgrenzung

Als nicht weniger problematisch erwies sich die begriffliche Abgrenzung. Burgen einschließlich der Ruinen und der ganz abgegangenen Bauten (Burgställe), Schlösser, Herrensitze und -häuser sollten berücksichtigt werden, nicht aber vor- und frühgeschichtliche Anlagen sowie bloße Gartenhäuser. Auch die Existenz eines Geschlechts, das sich nach einem Ort nannte, reicht nach unserer Auffassung ohne weitere Anhaltspunkte für die Annahme eines (abgegangenen) Sitzes nicht aus. Wie aber bereits Gerhard Pfeiffer am Beispiel der "Offenhäuser" gezeigt hat, lassen sich kaum abschließende Kriterien aufstellen, um ein Objekt als "Sitz" einzustufen; die heterogene Qualität der Besitzer (aus Adel, Ministerialität, Patriziat oder Bürgertum) erlaubt das ebenso wenig wie die Besitzform (freies Eigen, Mann- oder Erbzinslehen) oder die oft nur bescheidene bauliche Erscheinung. Das führte zu zahlreichen Zweifelsfällen, die andere Bearbeiter vielleicht anders beurteilt hätten. Manche Objekte wurden zwar aufgenommen, aber nur um die bislang behauptete Qualität eines so genannten Burgstalls, Herrensitzes oder dergleichen zu widerlegen.

Von den 246 Objekten des Manuskripts wurden daher zehn entfernt, weil sie sich entweder thematisch oder räumlich nicht einordnen ließen. Aus den verbleibenden 236 Burgen und Herrensitzen wurden nach einer weiteren Sichtung von Archivalien, Druckwerken und Manuskripten sowie mancher Erkundung im Gelände schließlich 305 Objekte. Doch auch diese Zahl kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Sicherlich ruht das eine oder andere Bodendenkmal noch im Verborgenen.

Forschungsstand und Quellen

Wie schon erwähnt, war das Manuskript von Gustav Voit über eine sehr ungleichmäßig ausgearbeitete Materialsammlung kaum hinausgekommen. So mussten nicht nur etwa 70 von Gustav Voit noch nicht berücksichtigte Burgen und Herrensitze völlig neu beschrieben werden. Auch die meisten übrigen Objekte erforderten umfangreiche Ergänzungen und Berichtigungen. Notwendig waren dabei nicht nur die Ermittlung des aktuellen Forschungsstandes anhand der verstreuten Literatur, sondern auch die Einbeziehung wichtiger, aber noch nicht erfasster Quellen. Angesichts der knappen personellen Ressourcen mussten die Recherchen zunächst dort ansetzen, wo entweder keine einschlägigen Veröffentlichungen vorlagen oder die Literatur deutliche Mängel erkennen ließ.

Zu den besonders relevanten Beständen gehören insbesondere die Akten der reichsstädtischen Waldämter und des Landpflegamtes, die vor allem Informationen zur Baugeschichte enthalten, sowie die Schadenslisten des Zweiten Markgrafenkrieges. Wertvolle Hinweise bieten auch die im 16. Jahrhundert einsetzenden Topographien und Landkarten des Nürnberger Gebiets, darunter die schon 1952 von der "Altnürnberger Landschaft" veröffentlichte Erkundung des Nürnberger Umlandes vor Ausbruch des Landshuter Erbfolgekriegs 1504 ("Gelegenhait der landschaft ..."). Die von vielen Autoren meist unkritisch benutzten, materialreichen Manuskripte von Dr. Friedrich August Nagel erwiesen sich dagegen vielfach als überprüfungsbedürftig. Wertvolle Nachrichten boten schließlich die gedruckten Quellen wie das Nürnberger Urkundenbuch, die schon erwähnten Müllnerschen Annalen usw.

Authentische Informationen zur Besitzgeschichte bergen die zahlreichen Archive der Nürnberger Geschlechter, die immerhin für die Entstehung eines Großteils der hier vorgestellten Herrschaftsbauten verantwortlich waren. Hier konnten wenigstens die umfangreichen Bestände des Hallerarchivs einschließlich seiner Materialsammlungen zur Nürnberger Geschichte ausgewertet werden. Bei den anderen Archiven des Nürnberger Patriziats mussten wir uns dagegen aus Zeitgründen auf Nachprüfungen im Einzelfall beschränken und uns im Übrigen auf frühere Veröffentlichungen verlassen.

Die meist unter der Regie des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege vor allem im Zuge von Instandsetzungsmaßnahmen erfolgte, seit den 1980-er Jahren zunehmend interdisziplinär durchgeführte Bauforschung hat in vielen Fällen sehr detaillierte baugeschichtliche Erkenntnisse zu Tage gebracht. Hervorgehoben seien hier die Dendrochronologie, d.h. die Jahrringanalyse von Bohrproben aus hölzernen Bauteilen, die mittlerweile zu relativ sicheren Datierungen führt, und das analytische Bauaufmaß, das zur Klärung der oft komplexen Genese eines Bauwerks entscheidend beitragen kann. Eine systematische Auswertung dieser in der Regel nicht veröffentlichten Untersuchungen war leider nicht möglich, doch wurden ausgewählte, den Bearbeitern zugängliche Ergebnisse eingearbeitet.

Von der Literatur haben wir in jedem Fall die (inhaltlich leider oft überholten) Kunstdenkmälerinventare berücksichtigt, nicht dagegen die meist nur davon abgeleiteten Werke wie den "Dehio", einschlägige Reiseführer, Landschaftsbildbände usw. Die Historischen Atlasbände und die eingangs genannten älteren Arbeiten wurden ebenfalls herangezogen, aber nur dort zitiert, wo sie inhaltlich (noch) von Belang waren. Vor allem aber galt es die zahllosen regional- und lokalgeschichtlichen Veröffentlichungen kritisch auszuwerten.

Gliederung

Die Objekte sind alphabetisch angeordnet; abgegangene Burgen (Burgstellen) erscheinen unter dem Namen des nächstliegenden Ortes.  Mehrere Herrensitze an einem Ort werden mit römischen Ziffern unterschieden, auch wenn sie zur selben Schlossanlage gehören, aber wenigstens zeitweise besitzrechtlich abgetrennt waren oder für Nachfolgebauten ein anderer Standort gewählt wurde.  Es folgen Bezeichnung und Adresse der Bauten, bei abgegangenen Sitzen wird zumindest die ungefähre Lage angegeben. Der eigentliche Text umfasst regelmäßig die Bau- und Besitzgeschichte sowie eine kurze Beschreibung der Objekte; Nebengebäude werden meist nur kursorisch behandelt. Am Ende stehen die benutzten Quellen (zuerst die Archivbestände, dann die gedruckten Quellen) und Literatur; hierfür sei auch auf das Abkürzungsverzeichnis verwiesen. Genealogische Daten sind meist den Stammtafeln des Hallerarchivs entnommen, die in der Regel auf authentischem Quellenmaterial beruhen, für die spätere Zeit auch den dort vorhandenen Adelshandbüchern. Die Biedermannschen Geschlechtsregister wurden gewöhnlich erst für das 17. und 18. Jahrhundert herangezogen, wo die Angaben als zuverlässig gelten können.
Die oft sehr widersprüchlichen Angaben in der Literatur wurden anhand von Primärquellen überprüft, soweit dies mit einem vertretbaren Aufwand möglich erschien. Dementsprechend bedeutet die Nennung der angeführten Werke nicht, dass deren Inhalte unkritisch zu übernehmen wären. Auf Vollständigkeit der Literaturhinweise wird kein Anspruch erhoben; ältere Veröffentlichungen werden nur genannt, wenn sie nicht durch neuere überholt sind.

Abbildungen

Aus technischen und rechtlichen Gründen folgt der grafische Inhalt der CD wie des Internetauftritts nicht zur Gänze der Bebilderung des Buches, für das wir vorzugsweise nur selten oder noch gar nicht veröffentlichte historische Abbildungen vorstellen. Die in auf der CD und im Internetauftritt  enthaltene digitale Auswahl von Handzeichnungen, historischen Karten und Plänen sowie Druckgrafiken lieferten vor allem das Staatsarchiv Nürnberg, das Stadtarchiv Lauf, das Hallerarchiv und die Grafischen Sammlungen der Museen der Stadt Nürnberg. Letztere stellten das Gros der Fotografien bereit: die 1895 in geringer Auflage veröffentlichten Aufnahmen Guido von Volckamers und die Sammlung der Fotoabzüge von Dr. Friedrich August Nagel, der seit etwa 1909 das Nürnberger Land immer wieder bereiste und es wie kein anderer bildlich überliefert hat. 

Autoren

Die Beschreibung der schließlich 305 Objekte hatten sich anfangs mit über 180 Objekten (darunter etwa 60 Neubearbeitungen) Robert Giersch und etwa 120 Objekten Andreas Schlunk geteilt, erst später stieß Bertold Frhr. von Haller dazu, der mit Robert Giersch die zeitraubende Endredaktion übernahm. Durch vielfältige Ergänzungen, Korrekturen und Überarbeitungen entstand schließlich ein Gemeinschaftswerk, sodass wir darauf verzichtet haben, die einzelnen Artikel bestimmten Autoren zuzuordnen. Die Erstellung der CD und des Internetauftritts lag in den Händen von Andreas Schlunk.

Dank

Den Bearbeitern wurde in jeder Hinsicht viel Hilfe und Wohlwollen zuteil. Ohne die Unterstützung durch den Leiter des Staatsarchivs Nürnberg, Ltd. Archivdirektor Dr. Gerhard Rechter, sowie seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die monatelang mit keineswegs bescheidenen Aushebe- und Reproduktionswünschen konfrontiert wurden, wäre das Werk nicht zum Abschluss gekommen.

Den Grafischen Sammlungen der Museen der Stadt Nürnberg gebührt unser besonderer Dank. Die Bearbeiter haben von der Leiterin, Dr. Jutta Tschoeke, und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern uneingeschränkte Unterstützung erhalten. Auch die Hilfe des Stadtarchivs Lauf und seines Leiters, Herrn Ewald Glückert, fiel in jeder Hinsicht großzügig und wohlwollend aus. Auch durch das Staatsarchiv Amberg, namentlich durch die Herren Erwin Stoiber und Jochen Rösel, erfuhren wir eine immer engagierte, kompetente Beratung und Unterstützung.

Nicht zuletzt haben wir dem Vorstand der Altnürnberger Landschaft e.V. für den Beschluss zu danken, das letzte große Projekt des früheren 1. Vorsitzenden Dr. Gustav Voit aufzugreifen und ihm zu Ehren zu einem würdigen Abschluss zu bringen. Damit konnte ein wesentlicher Teil regionaler Geschichte erforscht und das Ergebnis einer größeren Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Dem schließt sich der Dank an die Kommunale Allianz Hersbrucker Land an, deren Entscheidung, das Werk für das EU-Förderprogramm "LEADER+" zu empfehlen, der Altnürnberger Landschaft e.V. die Verwirklichung des umfangreichen Druckwerkes und der digitalen Präsentation als CD sowie Internet-Auftritt wesentlich erleichtert hat. Wir danken zudem der LAG-Managerin Frau Gudrun Donaubauer, die uns angesichts der Formalia mit Rat und Tat geduldig zur Seite stand, und den vielen weiteren, hier nicht namentlich genannten Helfern, insbesondere unseren Familien, die ganz erheblich unter der oft ruhelosen Arbeit gelitten haben.

Ausblick

Angesichts dieser großen Unterstützung hoffen wir sehr, dass die Nürnberger Landschaft jetzt nicht nur über ein historisch orientiertes Informationssystem ihrer Burgen und Herrensitze verfügt, sondern dass auch die Bedeutung dieser Baudenkmäler für die regionale Kulturlandschaft wieder stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerät. Dementsprechend war es uns ein Anliegen, nicht nur einem Fachpublikum und den Bildungseinrichtungen, sondern vor allem auch den Gästen der Region leicht zugängliche wie verlässliche Informationen an die Hand zu geben, zumal Burgen und Herrensitze zu den wesentlichsten Merkmalen dieser Landschaft zählen. Diesem Zweck dienen nicht zuletzt Internetauftritt und CD.

An dieser Stelle soll aber nicht verschwiegen werden, dass nicht wenige der hier vorgestellten und unsere Heimat prägenden Bau- und Bodendenkmäler akut im Bestand gefährdet sind. Von daher mögen diese Seiten nicht nur zur Dokumentation und Wegweisung beitragen. Dem Verein "Altnürnberger Landschaft" war schon seit seiner Gründung bewusst, dass gerade in einer Zeit, in der kulturelle Werte immer mehr an Gewicht verlieren, die Bedeutung der Region als eine (noch) überdurchschnittlich intakte, historische Kulturlandschaft immer wieder hervorgehoben werden muss. Dabei ist es unabdingbar, dass die von einer vermeintlich immer zweckrationaleren Politik zunehmend im Stich gelassenen Baudenkmäler und deren Eigentümer wieder eine größere Wertschätzung erfahren. Denn wie können vernachlässigte oder gar vorsätzlich geschädigte Baudenkmäler als Werbeträger einer Landschaft dienen, deren Aura nicht zuletzt von in kühner Lage thronenden Burgen und malerischen Schlössern und Herrensitzen wesentlich geprägt wird? Ein an Nachhaltigkeit und Qualität orientiertes Kultur- und Fremdenverkehrsmanagement wird daher - so hoffen wir - Handbuch, CD und Webseite dankbar aufgreifen.

Robert Giersch / Andreas Schlunk / Bertold Freiherr von Haller