Birnthon

  •  Herrensitz
  • Birnthon Nr. 1
  • Stadt Nürnberg


In den Annalen der Reichsstadt Nürnberg von 1623 wurde ein Bertold von Birnthal festgehalten, der 300 Jahre zuvor in Birnthon gesessen sein soll. Dieser Abkömmling eines vermutlich aus dem Reichsdienst im Forst entstammenden Ministerialengeschlechts ist für die Zeit um 1309 auch urkundlich nachweisbar, nicht jedoch ein befestigter Sitz. Schließlich erscheint Birnthon als Zeidelmuttergut im Besitz des Conrad Wagner, der sich 1381 verpflichtete, auf dem Gut „kein burglich Gebäu dahin zu machen“.  Eine andere Quelle vermerkt, dass der Nürnberger Bürger  gehalten war, auf seinem „hoff zum Pirnthon in dem waldt gelegen“ nichts zu bauen, was nicht „von alter her ist kommen“.

Schon ein Jahr später war das Zeidelmuttergut an den Nürnberger Ratsherrn Berthold Behaim gegangen. Ihm folgte vor 1397 Heinrich Rummel, der reiche Nürnberger Kaufherr mit besten Beziehungen zum Pfalzgrafen und späteren König Ruprecht I., der 1409 in Absprache mit dem Nürnberger Rat auch die Herrschaft Lichten­au kaufte [vgl. Lichtenau]. Wie Lichtenau ging auch das viel unbedeutendere Birnthon an den Sohn Franz Rummel über. Als das einst reiche Geschlecht in den 1470-er Jahren in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, scheint das Zeidelmuttergut an Endres Rech verkauft worden zu sein. Es ist mehr als zweifelhaft, ob es sich bei dem mittelalterlichen Gut um mehr als eine große Hofstelle gehandelt hatte. Schließlich erwirkte erst Endres Rech vor 1495 vom Rat der Reichsstadt die Erlaubnis, ein „lusthaus“ für sich bauen und anstatt des Zauns den Hof mit einer Mauer einfrieden zu lassen. 1495 erscheint der Sitz als „lusthaws mit einem steynein fuß“, demnach als Fachwerkkonstruktion auf einem massiven Sockelgeschoss.

1516 war das Herrenhaus mit dem Gut an Hieronymus Rech übergegangen. Durch Verheiratung der Witwe Agatha des um 1520 verstorbenen Hieronymus kam der Besitz zunächst 1522 an Martin Löffelholz, den reichsstädtischen Pfleger zu Lichtenau, der 1533 verstarb. Die Witwe Agatha heiratete nun ein drittes Mal, diesmal um 1540 Florentin Örtel. Dem neuen Ehemann wurde 1541 die Aufstockung des Herrenhauses mit einem Fachwerkgeschoss genehmigt. Die Örtelsche Investition ging jedoch ein Jahrzehnt später in Flammen auf. Im Zweiten Markgrafenkrieg wurde am 29. Mai 1552 auch „Birnthon, der Örtel sitz unnd sedel dabey“, verbrannt.

Das ruinierte Anwesen wurde 1558 von der mittlerweile verwitweten zweiten Ehefrau Örtels an die Verwandten Abraham, Christoph und Paulus Örtel verkauft, wobei Paulus seine Rechte an den reichen, mit dem Hause Fugger verwandten Montanunternehmer Lukas Sitzinger verpfändete [vgl. Schniegling I]. Der 1552 ruinierte Sitz blieb lange öd liegen. Erst Hieronymus Örtel, schon seit 1592 Besitzer, beantragte 1603 wenigstens den Wiederaufbau eines Verwalterhauses, während sich der des Herrenhauses erst um 1611 nach dem Übergang des Gutes an den Verwandten Eustachius Carl Holzschuher anbahnte. Dieser plante 1617 den Neubau, der etwa 24 Meter lang und 12 Meter breit und „gerings herumb von Stainwerck“ errichtet werden sollte. Der Bau dauerte wohl bis 1619, wobei ein Hinweis des Waldamtes den Einbau von Spunddecken in diesem Jahr nahe legt.

Eustachius Carl Holzschuher vererbte den Sitz seiner Tochter Maria Salome, die mit dem Nürnberger Juristen Andreas Heinrich Hüls verheiratet war. Die Familie Hüls veräußerte das Gut Birnthon um 1680 an Sigmund Pfinzing; von ihm ging es 1688 an Johann Christoph Tucher, der das Herrenhaus erneuern oder sehr weitgehend umbauen ließ. Die 1995 durchgeführte dendrochronologische Analyse von Bauhölzern des Dachwerks und der Zerrbalkenlage ergab ein Fälldatum im Winter 1687/88.

Johann Christoph Tucher vererbte die Liegenschaft 1692 an seine Schwester Anna Regina Wüttich, die sie offenbar aus rechtlichen Gründen nicht in Besitz nehmen konnte und noch 1692 an die Witwe Maria Jacobina Nützel weitergab. Die neue Besitzerin beantragte 1696 den Bau eines weiteren Hauses, in dem sie Mieter aufnehmen wollte. In diesem Zusammenhang entstand 1696 eine kolorierte Ansicht aus der Vogelschau, die den Ansitz umgeben von Weihern und Feldern inmitten einer Waldlichtung zeigt.

1703 wurden die Brüder Carl Benedict und Wolf Jacob Nützel als Inhaber genannt. Nach ihrem Ableben 1712 bzw. 1725 verfügte eine Erbengemeinschaft über den Ansitz. Durch Erbeinigung gelangte er um 1755 an Maria Jakobina Ebner, Witwe des Zweiten Losungers Hieronymus Wilhelm Ebner von Eschenbach und geborene Nützel [vgl. Erlenstegen II]. 1762 erweiterte sie den Sitz um ein eingeschossiges Sommerhaus. Maria Jakobina führte das Gut Birnthon 1773 einer Familienstiftung zu. Nachdem ihr Sohn Johann Carl schon 1774 verstorben war, fiel das Stiftungsgut zur Administration an die Ehemänner der Töchter Maria Helene Haller von Hallerstein und Anna Maria Kreß von Kressenstein. Die Familienstiftung hielt das Gut bis zur gesetzlichen Aufhebung der Fideikommissgüter in Bayern 1808/09, wurde schließlich von den Erben zerschlagen und 1813/14 in zwei Teilen verkauft. Das Herrenhaus, den Stadel und ein Tagelöhnerhaus erwarb der ehemalige Voit des Gutes, Conrad Kraußer. 1833 übernahm es dessen Sohn Simon Johann Ulrich Kraußer, der den Hausnamen „Simonsgut“ prägte. Es folgten weitere Besitzwechsel, bis das Simonsgut 1854 an Johann Conrad Abraham fiel. Dessen Erben verloren es 1882 durch eine Zwangsversteigerung an den Netzstaller Bauernsohn Johann Georg Bauer. Von dessen Nachkommen ging das Herrenhaus 1972 an einen Ingolstädter Bauunternehmer über. 1990 erwarb es Dr. Werner Lang, der es abermals renovierte und sich auch mit der Geschichte des Sitzes beschäftigt hat.

Beim Herrenhaus handelt es sich um einen zweigeschossigen, traufseitig fünfachsigen Massivbau, für dessen Erschließung wohl 1688/89 an der Hofseite ein Treppenturm aus Fachwerk angefügt wurde. Das äußere Erscheinungsbild wird vom barocken Walmdach und der ausgeprägten Gesims-Faschen-Gliederung der Fassaden bestimmt. Die Konstruktion geht vermutlich im Kern auf den Wiederaufbau des frühen 17. Jahrhunderts zurück. Bei der ersten modernen Renovierung 1972/73 wurden offensichtlich größere Eingriffe am historischen Bestand vorgenommen. Bei der zweiten Renovierung nach 1990 folgte ein Ausbau des Dachgeschosses mit neuen stehenden Gauben.

Quellen


StAN Rst. Nbg., Urk. Nr. 1962. Rst. Nbg., Urk. des 7-farbigen Alphabets Nr. 3694. Rst. Nbg., Amts- und Standbücher Nr. 228. Rst. Nbg., Handschriften Nr. 323. Rst. Nbg., Waldamt Lorenzi I Nr. 488, 584. Rst. Nbg., Rechnungen des markgräflichen Krieges Nr. 96. Rentamt Altdorf I Nr. 299, 1189.

Müllner I, S. 347.

Literatur


KDM Stadt Nürnberg, S. 273.

Lang, Werner: Birnthon im Wandel von 7 Jahrhunderten. Vom Zeidelgut zum Herrensitz des Nürnberger Patriziats und zum kleinsten Stadtteil Nürnbergs. In: Nürnberger Stadtteile im Wandel der Jahrhunderte. Hg. v. Bürgerverein Nürnberg-Südost e.V. Nürnberg 1999, S. 211-277.

Schnelbögl, Fritz: Altnürnberger Herrensitze – Schloß Birnthon. In: MANL 22 (1973), Heft 3, S. 56-63.

Schultheiß, Werner: Satzungsbücher und Satzungen der Reichsstadt Nürnberg aus dem 14. Jahrhundert (= QGKN Bd. 3). Nürnberg 1977, S. 34.

Stadtlexikon Nürnberg, S. 147.


Abbildung

Ansicht der Traufseite mit dem vermutlich 1688/89 angefügten Treppenturm, Fotografie: F. A. Nagel 1931 (StadtMN)

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