Kalchreuth I
- Herrensitz
- Schlossplatz 4
- Gemeinde Kalchreuth
- Landkreis Erlangen-Höchstadt
Ein Herrenhaus, ein „Sitz“ in Kalchreuth wird in den Verkaufs- und Belehnungsurkunden des 13. und frühen 14. Jahrhunderts nicht genannt und bestand damit wohl auch noch nicht. Erst als im Jahre 1395/98 Burggraf Johann die Söhne des verstorbenen Ulrich III. Haller mit Kalchreuth belehnte, wird urkundlich eine „Behausung“ erwähnt.
Nach einer Notiz aus der Zeit um 1500 sollen sich aber der „alte“ Ulrich Haller († 1357) und seine Kinder wegen „des Grabens, der umb das Schloß geht“ verpflichtet haben, den Graben um die Kirchhofmauer nicht zu beschädigen und „mit Bauen und Graben“ mindestens sechs Schuh (ca. 1,8 Meter) Abstand zu halten. Trifft die Nachricht zu, muss Ulrich bald nach dem Erwerb von Kalchreuth 1342 mit dem Bau eines Herrensitzes in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kirche begonnen haben.
Bei der ersten Beschreibung des Sitzes aus dem Jahre 1425 bestand er aus der Behausung mit Zwinger, Graben, Gärtlein und Stall. Mit dem Dorf Kalchreuth wurde im Ersten Markgrafenkrieg 1449 auch der Sitz stark in Mitleidenschaft gezogen. In den folgenden Jahrzehnten zersplitterter Besitzrechte berichten die Urkunden von „Haus und Burgstall“, sodass man vermuten darf, dass der zerstörte Sitz nur teilweise wiederhergestellt wurde. Einzelne Besitzrechte am Ort und am Schloss gelangten auf dem Kauf- oder über den Erbweg in die Hände fremder Familien. 1473 gestattete König Friedrich III. dem Nürnberger Balthasar Pömer eine Verschreibung auf die „Behausung und das (reichslehenbare) Seldengütlein zu Kalkenrewt“. Ein Viertel an „Graben und Zwinger“ blieben im Besitz von Thomas Haller, der 1476 gegen den Widerstand seines Vetters Jobst einen weiteren Bau errichten wollte, eine zweite, „kleinere Behausung“ vermutlich an der Stelle des späteren Südflügels. Nach seinem Tod 1508 gelangte sein Besitzanteil an Hans Truchseß von Wetzhausen, 1528 an Konrad Haller und wurde schließlich für 100 Gulden von Jobst III. Haller aufgekauft, der damit wieder alle Anteile am Schloss in seiner Hand vereinigte.
Das Schloss gehörte seit 1497 Wolf III. Haller, der mit Ursula, einer Tochter des Buchdruckers Anton Koberger, vermählt war. Albrecht Dürer, Kobergers Patensohn, hielt sich in den kommenden Jahren zu Besuch in Kalchreuth auf und zeichnete aus einem der Fenster des Schlosses eines seiner berühmtesten Aquarelle. Angesichts des heraufziehenden Landshuter Erbfolgekrieges öffnete Wolf Haller 1504 seinen Sitz den Dorfbewohnern. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der Herrensitz näher beschrieben: Die dreigeschossige „Kemenate“ (Herrensitz) war durch Zwinger und Gräben gesichert, nur über eine mit zwei Toren gesicherte Zugbrücke zu erreichen und gut mit Geschützen, Pulver, Blei, Armbrüsten, Spießen und Hellebarden versorgt. In jedem der drei Stockwerke hielt sich Haller eine verschließbare Kammer zurück, die Bauern durften die anderen Räume nutzen, sollten aber die Stiegen, Bänke und Öfen im Schloss nicht zerschlagen. 1517 musste sein Sohn Martin Haller den Sitz der Reichsstadt Nürnberg öffnen, d.h. im Kriegsfall zur Verfügung stellen.
Als 1552 der Zweite Markgrafenkrieg ausbrach, kämpfte der Schlossbesitzer Jakob IV. Haller [vgl. Brand II] aktiv als Reiterfähnrich der „Hauptfahne“ gegen den Markgrafen. Obwohl von Kriegsschäden am Herrensitz nichts bekannt ist, führte Jakob mit einem Gesamtaufwand von 1.200 Gulden umfangreiche Bau- und Renovierungsmaßnahmen durch und erweiterte den engeren Schlossbezirk. Von ihm stammte wohl das dritte, in Fachwerk aufgeführte Obergeschoss mit einem Satteldach. Unter Einbeziehung der Zwingermauern errichtete er, vermutlich an der Stelle der „kleineren Behausung“ und direkt an den dreigeschossigen Hauptbau anstoßend, den südlichen Querflügel mit einem verputzten Fachwerkobergeschoss. Über dem Rundbogentor ließ er die Jahreszahl MDLX (1560), sein Wappen und das seiner Frau Ursula Letscher anbringen.
Erst im 18. und 19. Jahrhundert kam es erneut zu größeren Baumaßnahmen, nachdem das Schloss den 30-jährigen Krieg (im Gegensatz zu vielen bäuerlichen Anwesen im Ort) weitgehend unversehrt überstanden hatte. Um 1775 wurde auf dem Hauptbau das Satteldach sowie das dritte, in Fachwerk erbaute Obergeschoss abgebrochen und durch ein Mansarddach ersetzt; 1802 wurden die beiden Brücken über den (heute trockenen) Graben erneuert.
Das Schloss blieb im Besitz der Hallerschen Familie, wechselte 1663 an den katholischen Zweig der Sigmundschen Linie in der Oberpfalz und nach deren Aussterben 1779 an den evangelischen Zweig in Nürnberg. Mit dem Ende des Alten Reiches und der Auflösung des Feudalsystems kam es nach 1806 zu einschneidenden Veränderungen: Das Lehensverhältnis des Schlosskomplexes wurde 1819/23 aufgehoben und derselbe freies Eigentum; 1821 ging die niedere Gerichtsbarkeit an den Staat verloren.
Der Herrensitz selbst wurde von den Hallern seit dem 18. Jahrhundert kaum noch genutzt; für ihre seltenen Aufenthalte hatte der Schlossverwalter – er bewohnte das Obergeschoss des angebauten Südflügels – den Hauptbau herzurichten und zu beheizen. 1848 verpachteten, 1850 verkauften die Haller das Schloss an die Familie Wölfel, die ebenfalls nur einen Teil der Räume selbst nutzte, einzelne Zimmer vermietete und auf größere Baumaßnahmen verzichtete. 1907 erwarb der Flaschnermeister Wilhelm Schenk aus Nürnberg das Schloss um 15.200 Goldmark. Schenk setzte auf den zunehmenden Ausflugsverkehr der Nürnberger und begann sofort mit entsprechenden Modernisierungs- und Erweiterungsmaßnahmen: Fremdenzimmer und „Sommerwohnungen“ wurden im Hauptbau wie im Dachgeschoss des Südflügels eingerichtet, eine (nach 1968 wieder beseitigte) Aussichtsplattform geschaffen, Küche und Gastzimmer eingerichtet. Nachdem sich die hoch gesteckten Erwartungen nicht erfüllten, wurde 1923 der seit 1911 bestehende Wirtschaftsbetrieb eingestellt, 1927 das Schloss an Heinrich Sörgel verkauft. Dessen Schwiegersohn Leonhard Böhm erhielt 1929/32 neue Ausschankkonzessionen und konnte den Betrieb erfolgreich fortführen. 1968 erwarb die Familie Scheer Schloss und Gastwirtschaft, die sie renovierten und erweiterten.
Quellen
StAN Rst. Nbg., Salbücher Nr. 296 a/b. Rst. Nbg., Urk. des 7-farbigen Alphabets Nr. 3851. Rst. Nbg., Rechnungen des Markgräflichen Krieges Nr. 95, 96. LRA Erlangen Abgabe 1978 Nr. 2466, 2467.
HallerA Urkunden und Akten Kalchreuth.
Gelegenhait, Nr. 661.
Reg. Imp. Bd. XIII, Nr. 6693.
Literatur
700 Jahre Kalchreuth 1298–1998. Ein fränkisches Dorf im Wandel der Zeiten. Konzeption: Bertold Frhr. von Haller. Rödental 1998, S. 22-45, 61-67, 139-143.
Stadtlexikon Erlangen, S. 402 f.
KDM Erlangen, S. 130 f.
Stadtlexikon Nürnberg, S. 514.
Abbildung
Südansicht des Hallerschlosses. Aquarellierte Federzeichnung, vermutlich von Pfarrer C. G. Rehlen, um 1843 (Pfarrarchiv Kalchreuth)
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