Kirchensittenbach III
- Herrensitz „Großes Schloss“ oder „Tetzelschloss“
- Schloss 1
- Gemeinde Kirchensittenbach.
Das „Neue Schloss“ wurde 1590 bis 1595 von Jobst Friedrich Tetzel ca. 50 Meter südwestlich des alten Herrensitzes der Erlbeck [vgl. Kirchensittenbach II] auf dem Gelände des Alten Burgstalls [vgl. Kirchensittenbach I] errichtet. Bauplanung und Bauleitung des Schlosses lag mit hoher Wahrscheinlichkeit bei dem Nürnberger Ratsbaumeister Wolf Jakob Stromer, der mit Tetzel befreundet war.
Das Schloss zeigt sich noch heute in nahezu unverändertem Zustand. An den dreigeschossigen Sandsteinbau fügt sich nordwestlich rechtwinkelig ein ebenfalls dreigeschossiger Flügel an; beide sind mit Satteldächern und Schleppgauben versehen. Im einspringenden Winkel vermittelt ein achteckiger Treppenturm mit Kuppelhelm und Spindeltreppe den Zugang vom Innenhof in die oberen Stockwerke. Im Erdgeschoss liegt eine – später abgeteilte, im Zuge der jüngsten Sanierungen aber wieder geschaffene – große Halle, im 2. Obergeschoss ein repräsentativer Saal. In den meisten Räumen sind heute noch die originalen Spund- und Balkendecken erhalten. Zwei Seiten des Hofes werden von einer Mauer mit Satteldach umfriedet. Über dem Rundbogenportal ist ein Stein mit den Wappen Jobst Friedrich Tetzels und seiner beiden Frauen aus den Familien Groland und Schlüsselfelder sowie die Jahreszahl 1590 angebracht. Die Schlossanlage wurde von seiner Witwe Anna durch Bau des Voitenhauses und der Nebengebäude – Stallung, Waschhaus und Schupfe – vollendet; den ganzen Schlosskomplex ließ sie durch eine ebenfalls heute noch erhaltene Mauer umgeben. Eine weitere Umfriedung mit vier schräg gestellten Ecktürmen war von ihr um das Schloss geplant, kam jedoch nicht zur Ausführung.
1612 gelangte das Schloss in den Besitz der vom Erbauer begründeten Jobst-Friedrich-Tetzel-Stiftung, der es noch heute gehört. Unter Ausschluss von Katholiken wie der ihm verhassten Linie seines Bruders Karl hat Jobst Friedrich die Verwaltung der Stiftung durch die ältesten männlichen Mitglieder aus den Familien Tetzel und Schüsselfelder angeordnet. Die Administratoren hatten Wohn- und Nutzungsrecht im Schloss Kirchensittenbach, Veräußerungen von Stiftungsgütern waren ihnen dagegen untersagt. Nach dem Aussterben der „Stifterfamilien“ sollten die Volckamer, Groland, Rummel und Stockamer nachrücken, danach das Los entscheiden.
Die Verwaltung der Stiftung übernahm zunächst Tetzels Witwe Anna, eine geborene Schlüsselfelder, nach ihrem Tod 1640 ihr Neffe Willibald Schlüsselfelder. 1709 war auch seine Familie erloschen. Ihr folgten daher die Volckamer, ab 1729 (die Groland, Rummel und Stockamer waren inzwischen ebenfalls ausgestorben) im Wechsel zunächst mit den Pfinzing (erloschen 1764), ab 1780 mit den Behaim. Nach dem Aussterben der Behaim (1942) rückte die Familie von Stromer nach.
Die finanziell gut ausgestattete Stiftung konnte 1736/37 nach dem Erlöschen der Linie Karl Tetzels deren Besitzungen in Kirchensittenbach um 20.000 Gulden aufkaufen und nach 158-jähriger Teilung die Güter in ihrer Hand vereinigen. Schon 1698 war das erst um 1620 errichtete Voitenhaus abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt worden. 1701 plante man das Schloss mit einem wassergefüllten Graben zu umgeben.
Im Jahre 1777 wurden umfangreiche Reparaturen vorgenommen, nachdem tragende Bauteile verfault waren und die obere Stube nicht mehr genutzt werden konnte. 1822 bis 1825 wandte der Stiftungsadministrator von Volckamer über 16.000 Gulden für die Instandsetzung und Modernisierung des Schlosses auf; der große Saal im zweiten Obergeschoss (später Tetzel-, dann Rittersaal genannt) wurde neu eingerichtet und mit Stuckdecken versehen. Einer weitreichenden Modernisierung des ersten Obergeschosses in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts schloss sich unter dem Administrator Dr. Volker von Volckamer eine noch 2006 anhaltende, umfassende Sanierung des gesamten Schlosses an.
Quellen
StadtAN E 22/II Schublade VIII Nr. 1b, Schublade XIV Nr 1.
Literatur
KDM Hersbruck, S. 204-209.
Ruthrof, Renaissance, S. 65 f.
Schwemmer, Wilhelm: Altnürnberger Herrensitze. Schloss und Dorf Kirchensittenbach. In: MANL 23 (1974) ,Heft 3, S. 43, 45-50.
Abbildung
Ansicht von Nordosten. Fotografie: G. v. Volckamer um 1894 (StadtMN)Lageplan
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