Lichtenau
- Festung und ehemals reichsstädtisches Pflegschloss
- Markt Lichtenau
- Landkreis Ansbach
Zum Territorium der Reichsstadt Nürnberg gehörte die Herrschaft Lichtenau, eine Exklave weit westlich von Nürnberg im Ansbacher Land an der fränkischen Rezat gelegen. Das Pflegschloss war aus einer Wasserburg hervorgegangen, deren Ursprung nicht mehr zu klären ist. Sie hatte wohl schon um 1200 ihre Funktion im spannungsreichen Beziehungsgeflecht zwischen dem Hochstift Würzburg, den Staufern als dessen Obervögten und den Edelfreien von Schalkhausen-Dornberg als Untervögten zu erfüllen. Als Besitz des Rudolf von Dornberg scheint die Burg Lichtenau erstmals 1246 als „castrum Lihtenowe“ auf. Zu dieser Zeit hatte der Zerfall der staufischen Macht bereits begonnen, und im Interregnum ging die Zeit der staufischen Obervogtei endgültig zu Ende, sodass die Dornberger sich uneingeschränkt als Würzburger Vögte fühlen konnten. Mit Wolfram von Dornberg starb das bedeutende Edelfreiengeschlecht jedoch schon 1288 im Mannesstamm aus. Das Dornberger Erbe fiel an die Schwiegersöhne: Die Burgen Lichtenau und Vestenberg nahm der Edelfreie Gottfried von Heideck als Gemahl der Kunigunda von Dornberg in Besitz, den größeren Teil des Vermögens jedoch die Grafen von Öttingen [vgl. Immeldorf].
Mit dem Verkauf von Dornberg und der Stadt Ansbach durch Ludwig Graf von Öttingen 1331 an die Burggrafen von Nürnberg bahnte sich eine konfliktreiche Zeit an. Die Hohenzollern nahmen beim Ausbau ihrer territorialen Herrschaft keinerlei Rücksichten auf nachbarschaftliche Befindlichkeiten. Die Herren von Heideck suchten in ihrer Bedrängnis die politische Nähe zur Reichsstadt Nürnberg: 1386 wurde Friedrich II. von Heideck Nürnberger Bürger und räumte der Reichsstadt das Öffnungsrecht über alle Heidecker Burgen ein. Daher wurde die Burg Lichtenau im Städtekrieg 1388 den Nürnbergern zur Verfügung gestellt. Schließlich verkaufte der Heidecker Burg und Herrschaft mit allem Zubehör 1406 an Nürnberg, wozu auch die zunehmende Verschuldung des Edelfreien beigetragen hatte.
Vermutlich um eine unmittelbare Machtprobe mit dem Burggrafen zu umgehen, verkaufte die Reichsstadt einige Heidecker Güter an das so genannte Reiche Almosen, eine Nürnberger Stiftung, die der reiche Kaufmann Burkhard Sailer 1388 gegründet hatte, um Stadtarme mit Lebensmitteln zu versorgen. Die Burg, die Gerichtsrechte, den Markt Lichtenau und einige Dörfer der Herrschaft veräußerte man 1409 dem Nürnberger Patrizier Heinrich Rummel, der der Reichsstadt das Öffnungsrecht und damit die militärische Verfügungsgewalt über die Burg einräumte. Im Ersten Markgrafenkrieg war der Reichsstadt daher sehr an einer Verstärkung der Burg gelegen: Man unterstützte den Ritter Franz Rummel, den damaligen Inhaber, beim Bau von Befestigungen und schickte Waffen, darunter fünf Geschütze, und Munition nach Lichtenau. Diese Anstrengungen halfen wenig: Im August 1449 zog Markgraf Albrecht Achilles in Lichtenau ein, verheerte das Land und beschoss die Burg, deren Besatzung sich am 13. August ergab. Erst 1453 nach Abschluss der Friedensverhandlungen wurde Lichtenau an Franz Rummel zurückgegeben.
Möglicherweise hatte der immense Kriegsschaden bereits das Vermögen der Rummel erheblich geschwächt, spätestens um 1470 geriet die Familie in große Zahlungsschwierigkeiten. 1472 wurden die grundherrschaftlichen Rechte um 5.000 Gulden an das Reiche Almosen verkauft. 1476 belehnte Kaiser Friedrich III. die Pfleger der Nürnberger Stiftung auch mit der Hochgerichtsbarkeit, dem Blutbann über die Herrschaft Lichtenau. Wenig später wurde ein reichsstädtisches Pflegamt in der Burg eingerichtet und Lichtenau unmittelbar dem Rat der Reichsstadt unterstellt.
Die Burg war zu dieser Zeit von zwei Wassergräben umgeben. Hinter dem äußeren Graben war ein gewaltiger Wall aufgeworfen, der von einer Wehrmauer mit halbrunden Streichwehren oder Bastionen, damals Rondells genannt, bekrönt wurde. Hinter dem äußeren Befestigungswerk folgte der innere Wassergraben, der die annähernd quadratische Grundfläche des Pflegschlosses schützte. Dass das innere Terrain der Wasserburg als Insel „Schütt“ bezeichnet wurde, weist darauf hin, dass es einst zur Anlage der Feste im Talgrund aufgeschüttet worden war. Hinter einem zweiten Mauerring, von 1482 bis 1548 mit rechteckigen Bastionen verstärkt, erstreckten sich die Schlossgebäude, zu denen auch ein Torhaus und ein Turm mit Fachwerkobergeschossen zählten. An der Verbesserung der Festungswerke war 1538 auch der an der Nürnberger Stadtbefestigung beschäftigte italienische Festungsbaumeister Antonio Fazuni beteiligt.
Der Markgraf hatte seit der Zeit um 1470 nichts unversucht gelassen, um die Herrschaft Lichtenau seiner Landeshoheit zu unterstellen. Trotz immer wieder aufgenommener Verhandlungen und Prozesse vor dem Reichskammergericht war die Reichsstadt nie zu einer Abtretung Lichtenaus bereit und baute die 1449 wohl erheblich beschädigte Burg weiter aus. Aber auch im Zweiten Markgrafenkrieg konnte sie ihre Festigkeit nicht unter Beweis stellen, denn als Markgraf Albrecht Alcibiades am 4. Mai 1552 vor Lichtenau erschien, übergab der Pfleger die Feste entgegen den reichsstädtischen Befehlen ohne Gegenwehr. Die Befestigungen wurden anschließend gesprengt und geschleift: Bauern mussten die Grabenanlage mit den Trümmern füllen. Der Schaden an der größten Nürnberger Festung (noch vor Reicheneck) wurde auf stolze 45.000 Gulden geschätzt. Das Zerstörungswerk des Markgrafen war einigermaßen gründlich geglückt: Die so genannte alte Kemenate, demnach wohl der noch mittelalterliche Wohnbau, war völlig „zersprengt“, ebenso der Turm und das Haus des Büchsenmachers, völlig ausgeglüht waren das Mauerwerk einer zweiten Kemenate und der so genannten Dürnitz. Von der inneren Mauer standen nur noch sechs bis sieben Quaderreihen.
Der Wiederaufbau der Festung lief, abgesehen von einigen Vorbereitungsmaßnahmen, erst 1558 unter der Aufsicht des Landpflegamtes und der Leitung des Stadtwerkmeisters Paulus Beheim und seines Assistenten Jörg Weber [vgl. Utzmannsbach, Velden] an. Die neue Festung sollte nach Erfahrungen des italienischen Festungsbaus entstehen, daher wurde ein fünfeckiger Grundriss gewählt, der die Anordnung von fünf großen Bastionen erlaubte. Obwohl sich kein Bauplan erhalten hat, wies Wilhelm Schwemmer 1980 auf die Urheberschaft von Antonio Fazuni hin. Zwar wird seine direkte Beteiligung in den Quellen nicht bezeugt, in den überlieferten Bauberatungen im Jahr 1572 wird jedoch ein heute verschollener Riss Fazunis erwähnt.
Unter drei örtlichen Meistern begannen die Räumungsarbeiten, das Brechen neuer Werksteine und der Einbau von Pfahlrosten aus Eichenholz für neue Gründungen. Am 4. Oktober 1558 fand die feierliche Grundsteinlegung statt. Danach zog sich das Bauvorhaben in die Länge, weil zuerst der örtliche Bauleiter, Hans Westhauser, verstarb, dann der Weggang von Jörg Weber 1560 und der Tod des Paulus Beheim 1561 hingenommen werden mussten. Schließlich verklagte der Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach die Reichsstadt vor dem Reichskammergericht wegen Verletzung seiner angeblichen Hoheitsrechte.
Mit einer eher bescheidenen Zahl von Steinmetzen und Handlangern wurde die Festungsbaustelle Jahr um Jahr zögerlich weitergeführt, während der Prozess beim Reichskammergericht kein Ende fand und die Markgräflichen die Nürnberger mit kleineren Übergriffen schikanierten. Erst 1591 waren die Arbeiten an den Befestigungsanlagen soweit gediehen, dass 1592/93 zum Ausbau des Pflegschlosses im inneren Hof geschritten werden konnte. Hier sollten die Pflegerwohnung und die Amts- sowie Repräsentationsräume untergebracht werden. Die Baustelle lag nun in der Verantwortung des Stadtbaumeisters Wolf Jakob Stromer [vgl. Almoshof III, Kirchensittenbach III], des Werkmeisters Hans Dietmair und bald seiner beiden genialen Kollegen Peter Carl und Jakob Wolff. Sie mussten sich mit zum Teil gravierenden Bauschäden herumärgern, die bereits in den 1570-er Jahren zu Tage getreten waren und sich bis etwa 1590 dramatisch verschärft hatten. Nun mussten mit viel Aufwand diverse Planungsfehler vor allem bei den Gründungen und sonstigen Tragwerken bereinigt werden. Im Wesentlichen konnte der Wiederaufbau der 1552 zerstörten Festung daher erst 1606 abgeschlossen werden. Gleichwohl wurden noch 1610 Bauschäden beseitigt, und erst 1620, also zwei Jahre nach Ausbruch des 30-jährigen Krieges, stattete man die repräsentative Herrenstube und die benachbarte Nebenstube mit aufwändigen Wandvertäfelungen aus. Bis 1630 waren schließlich 194.000 Gulden in die neue Festung Lichtenau verbaut worden.
Die Nürnberger Festung war kaum fertiggestellt, als der kaiserliche Oberbefehlshaber Tilly im Herbst 1631 in Ansbach einzog. Bei dieser Gelegenheit sollten Truppen im November auch die Festung Lichtenau besetzen, was problemlos gelang, weil sich der Nürnberger Pfleger, diesmal Georg Scheurl, wieder ohne Gegenwehr ergab. Dagegen rückte die kaiserliche Besatzung erst nach einer Beschießung durch schwedische Truppen unter General Graf Thurn am 23. August 1633 wieder ab. Im Herbst 1633 zog mit Wolf Albrecht Pömer wieder ein reichsstädtischer Pfleger mit einem nürnbergischen Truppenkontingent in die Feste ein. Der Pfleger Johann Friedrich Haller von Hallerstein durchbrach dagegen 1688 die schlechte „Tradition“: Beim letzten großen Angriff auf die Feste durch einen Überfall französischer Truppen des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. widersetzte er sich der Aufforderung zur Übergabe, woraufhin die Franzosen die Erstürmung aufgaben.
1721 kam es zu einer statischen Instandsetzung vor allem der äußeren Befestigungswerke, die im sumpfigen Gelände der Flussniederung offenbar ungenügend gegründet waren. Die Renovierung einschließlich des Unterfangens der schadhaften Bereiche mit neuen Quadern gestaltete sich äußerst kostspielig. Die spätere Nutzung wurde dann 1794 vorweggenommen, als in der Festung 300 französische Kriegsgefangene inhaftiert wurden.
Kurz nach der Eingliederung des reichsstädtischen Territoriums in das neue Königreich Bayern wurde die Festung 1807 zu einem Zuchthaus für Schwerverbrecher umgewandelt. Die dafür nötigen Umbauten veränderten die Baulichkeiten massiv: In den Mannschaftsquartieren, Kasematten und in den Türmen wurden Gefängnisse eingerichtet. Der innere Wassergraben wurde trockengelegt und aufgefüllt. Die Basteien erhielten vorwiegend Räume für das Wach- und sonstige Anstaltspersonal. An das Hauptgebäude mit der Pflegerwohnung wurden zwei zweigeschossige Flügelgebäude angebaut. Sie wurden allerdings in den 1930-er Jahren ebenso wieder abgebrochen wie der nördliche Kavalier, der im frühen 19. Jahrhundert zur Anstaltskirche umgewandelt worden war, wieder zurückgebaut wurde. Die Gefängnisnutzung hielt bis 1932 an, wobei das Zuchthaus schon 1862 in eine Gefangenenanstalt für Verurteilte leichterer Vergehen, 1927 dann zu einem bloßen Obsorgeheim für entlassene Strafgefangene umfunktioniert worden war. 1933 bis 1936 war ein Reichsarbeitsdienstlager in der Festung, nach dem Zweiten Weltkrieg ein Lager für „desplaced persons“. Von 1949 bis 1972 befand sich schließlich eine staatliche Erziehungsanstalt für straffällig gewordene Jugendliche in der Festung.
Als auf Grund der vielen statischen Schäden in den 1970-er Jahren eine Instandsetzung geplant wurde, zeichnete sich auch die neue Nutzung als Außenstelle des Staatsarchivs Nürnberg ab. Über die Vorgehensweise der 1974 begonnenen Arbeiten kann man heute aus denkmalpflegerischer Sicht geteilter Meinung sein. Zwar wurden die statischen Probleme durch das Unterfangen mit 64 Betonrohrpfählen beseitigt, dafür wurde das Schlossgebäude vollständig entkernt: Die Innenwände und alle hölzernen Tragwerke wurden abgebrochen und ein solches aus Stahlbeton eingebaut. Betontragwerke wurden auch in den Kasematten eingefügt, um die neuen Traglasten, der Archivnutzung angemessen, gewährleisten zu können. Im Sommer 1978 konnte die Archivverwaltung einziehen, während die Außenarbeiten noch bis in die frühen 1980-er Jahre anhielten.
Quellen
StAAm Adelsarchive, Rummel Nr. 3.
StAN Rst. Nbg., Landpflegamt, Pflegamt Lichtenau Repertorien. Ft. An., Oberamtsakten Nr. 917. Reg. v. Mfr., Plansammlung I, Mappe IX, Nr. 117 f. Depot Historischer Verein Mittelfranken, Handschriften Nr. 193 f.
NUB Nr. 329.
Literatur
Landbauamt Ansbach (Hg.): Die Festung Lichtenau: Pläne, Bilder, Texte zur Einweihungsfeier am 20. Oktober 1983. Ansbach 1983.
Schaper, Christa: Die Ratsfamilie Rummel – Kaufleute, Finanziers und Unternehmer. In: MVGN 68 (1981), S. 1-107.
Schnelbögl, Fritz: Nürnbergs Bollwerk Lichtenau. In: MANL 4 (1955), Sonderheft Nr. 3.
Schwemmer, Wilhelm: Alt-Lichtenau. Aus der Geschichte der Ortschaft und der Festung (= Schriftenreihe der ANL Bd. 27). Nürnberg 1980.
Abbildung
Darstellung der Festung und des Ortes aus der Vogelschau, Federzeichnung aus der ersten Hälfte 17. Jahrhundert (StAN)
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