Neunhof bei Lauf V
- Neues Schloss oder „Hauptschloss“
- Welserplatz 1
- Stadt Lauf an der Pegnitz
- Landkreis Nürnberger Land
Kaum hatte Jakob Geuder sein neues Herrenhaus und die Zehntscheune fertiggestellt [vgl. Neunhof IV], begann er 1611 mit der Vorbereitung eines größeren Schlosses. Auf einem um 1610 gezeichneten Plan erkennt man bereits den Grundriss des neuen Schlosses zwischen den beiden Herrenhäusern. Unter Leitung des Laufer Steinmetzen Hans Egloff war der Bau schon weit fortgeschritten, als er nach Ausbruch des 30-jährigen Krieges 1619 eingestellt werden musste. Dreizehn Jahre später fielen einem verheerenden Brand neben dem neuen Herrenhaus auch weite Teile des Rohbaus zum Opfer. Der Südwest- und Mitteltrakt blieben in Ruinen liegen, nur der Nordosttrakt konnte weiter genutzt werden. Hier im großen Steinsaal wurden – gegen wütende Proteste der Lutheraner – bis 1650 Gottesdienste der Reformierten aus dem Nürnberger Umkreis abgehalten, da die Geuder zum reformierten Glauben übergetreten waren.
Ein Kupferstich von 1760 zeigt den Zustand der Schlossanlage im Jahre 1660, als die Geuder ihren Anteil an Neunhof an ihre Gläubiger, den Nürnberger Zweig der Welser, abtreten mussten. Hinter dem bescheidenen Herrenhaus von 1577 stand der Nordostflügel des Neuen Schlosses unter Dach, dem sich die Ruine des Mittel- und Südwesttrakts anschloss, teilweise von Bäumen und Gestrüpp überwachsen. Zehntscheune und Voithaus hatten den Krieg dagegen ohne erkennbare Beschädigungen überstanden. Ein Ölgemälde im Schloss zeigt die Anlage im selben Zustand von der Gegenseite.
Nach dem Tod des hoch verschuldeten Jakob Geuder nahmen seine Erben zwischen 1616 und 1632 „zur Erhaltung dero Güter und Hintanrichtung der damals stark auf sie gedrungenen Creditoren“ 13.000 Gulden auf, die sich bis 1659 auf 22.563 Gulden summierten. Ein 1661 von Kaiser Leopold genehmigter Vergleich sah die Abtretung der auf 20.103 Gulden geschätzten Besitzungen in und um Neunhof vor, womit sich die Welser, nicht aber die Geuder zufrieden gaben. Die Auseinandersetzungen mit den Geudern, die vor dem Reichshofrat den Rückerhalt ihrer Besitzungen erstreiten wollten, zogen sich noch Jahrzehnte hin und verzögerten die Instandsetzung und den Weiterbau des Neuen Schlosses. Erst 1685 begannen die Welser mit dem Wiederaufbau von Mittel- und Südwesttrakt, der bis 1695 weitgehend abgeschlossen werden konnte. Die Fertigstellung der Innenausstattung zog sich dagegen bis 1734 hin.
Der zweigeschossige langgestreckte Bau wird an der Schauseite zum Garten hin durch einen turmartigen Mittelrisalit mit flachen Giebeln und je einem vierseitigen Pyramidenhelm gegliedert. Vom Erdgeschoss wachsen zu beiden Seiten schmale, durchgehende Erkertürmchen empor, die zugleich die Dachregion auflockern und an die Eckerker der Nürnberger Herrensitze erinnern. Die beiden schmalen Giebelseiten ruhen auf großformatigen Sandsteinquadern; ihre ge-schweiften Giebel sind durch Gesimse unterteilt.
Das im Mittelrisalit eingerichtete breite Tor führt in eine dreischiffige, nach Nordwesten durch Arkaden geöffnete Halle, von der aus die Seitenflügel erschlossen werden. Das Erdgeschoss des Südwestflügels barg neben einer „Bauernstube“ (wohl für das Gesinde) eine Küche sowie Wirtschaftsräume; darüber liegen im Zwischengeschoss die Wohnräume des Stiftungsadministrators. Im älteren Erdgeschoss des Nordostflügels aus den Jahren nach 1610 befindet sich (mit eigenem Zugang zum Garten), der so genannte Steinsaal, in dem bis 1650 reformierte Gottesdienste abgehalten wurden. Im Erker an der Nordostseite hat sich unter den barocken Architekturmalereien von Michael Gebhardt aus dem frühen 18. Jahrhundert eine ältere Fassung mit Rankenmalerei erhalten.
Von der Halle aus führt eine Spindeltreppe zu den Repräsentationsräumen des ersten Obergeschosses. Hier liegt im Mittelbau das Glanzstück des Welserschlosses, der „Weiße Saal“ mit einer von Donati Polli im Zeitraum von 1693 bis 1697 geschaffenen Stuckdecke. Dieser frühen Arbeit des berühmten Stuckateurs steht sein Spätwerk aus den Jahren nach 1734 in der sogenannten Götterstube im Nordostflügel gegenüber, die bereits in die Zeit des Rokoko hinüberführt.
Vor dem Schloss wurde ein weitläufiger, auf das Schlossportal hin ausgelegter Barockgarten in strengen Formen angelegt, der 1760 von Heumann dargestellt wurde. Ihm schließt sich im Südwesten ein mit Wasser gefüllter Graben, der alte „Steingraben“ an [vgl. Neunhof IV]. Der heutige Garten im englischen Stil wurde 1852 angelegt. Ein Rundturm, der die Einfahrt beim Zehntstadel flankierte, wurde 1839 abgetragen.
Das „Neue Schloss“ blieb bis zum Übergang an Bayern im Jahre 1806/1807 bzw. bis zum Ende der adeligen Grundherrschaft 1848 der zentrale Sitz des Ritterguts Neunhof. Neue Funktion fand der Komplex als Mittelpunkt für die weitverzweigte Welserfamilie, die ihr Familienarchiv, ihre Bibliothek, Kunstwerke und Porträts im Schloss unterbrachte. Nach dem Aussterben der Nürnberger Linie (1878) fiel das Gut 1894 an die Welsersche Familienstiftung und dient seither als Sitz des Stiftungsadministrators.
Das Schloss blieb – sieht man vom Einbau größerer Fenster in den Jahren 1771 bis 1774 ab – in seinen ursprünglichen bauzeitlichen Formen erhalten. Ihr Erhalt fordert große finanzielle Opfer von der Familie, die schon in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg die Spuren der amerikanischen Besatzung beseitigen ließ. Statische Probleme am Dachstuhl und Feuchtigkeitsschäden wurden in einer aufwändigen Sanierung von 2001 bis 2004 behoben.
Quellen
StAN Rst. Nbg., Waldamt Sebaldi I Nr. 334.
Literatur
Alberti, Volker / Baumann, Lorenz / Holz, Horst: Burgen und Schlösser in Lauf und Umgebung. Unteres Pegnitztal (= Fränkische Adelssitze Bd. 2). Simmelsdorf-Hüttenbach 1999, S. 35-41.
Glückert, Burgen, S. 88-98.
Ders.: Schloss Neunhof als Gottesdienststätte reformierter Glaubensflüchtlinge. In: Frankenland 38 (1986), S. 311-316.
HAB Lauf-Hersbruck, S. 85, 144.
KDM Lauf, S. 294-310.
Stadtlexikon Nürnberg, S. 740 f.
Welser, Ludwig von: Neunhof. Kulturgeschichtliche Blätter aus dem Archive eines patriziatischen Herrensitzes im Gebiet der Reichsstadt Nürnberg. Bamberg 1928, S. 18, 22-26.
Abbildung
Ansicht des Neuen Schlosses und der „Brille“ von Westen. Fotografie: F. A. Nagel 1932 (StadtMN)
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