Reichenschwand I
- Wasserschloss
- Schlossweg 12
- Gemeinde Reichenschwand
- Landkreis Nürnberger Land
Das Wasserschloss Reichenschwand geht auf einen befestigten Sitz zurück, den das Ministerialengeschlecht von Strahlenfels vermutlich in den Jahren um 1300 errichtet hat. Offensichtlich hatte das Geschlecht versucht, hier an der Pegnitz und in unmittelbarer Nähe zu Henfenfeld Fuß zu fassen, nachdem es auf dem Strahlenfels durch die benachbarten Herren von Wildenstein [vgl. Rothenberg, Wildenfels] in Bedrängnis geraten war. Die Wildensteiner, zu den wichtigsten Gefolgsleuten der Bayernherzöge zählend, gingen im Krieg ihrer Herren gegen den Hirschberger Grafen ab 1290 massiv gegen das gräfliche Umfeld vor, vor allem gegen die ehemaligen Reichsministerialen von Henfenfeld, die wiederum in einem engen, auch verwandtschaftlichen Verhältnis zu den Strahlenfelsern standen [vgl. Henfenfeld, Strahlenfels].
Konrad von Strahlenfels scheint erstmals 1310 als Inhaber grundherrschaftlicher Rechte in Oberndorf bei Reichenschwand und 1312 in Sendelbach auf. Die Sendelbacher Rechte bestätigen die engen Beziehungen zu den Henfenfeldern, die dort einst über sämtliche Grundholden verfügt hatten. 1331 saß Adam von Strahlenfels zu Reichenschwand, das offenbar als freies Eigen reklamiert wurde. Erst Georg von Strahlenfels trug es 1366 Kaiser Karl IV. zu böhmischem Lehen auf. Georg und Peter von Strahlenfels gehörten zu den 20 Burghütern der mittlerweile böhmischen Burg Rothenberg. 1399 wurden Peter, 1424 Leonhard und 1440 Thomas von Strahlenfels von der böhmischen Krone mit Reichenschwand belehnt.
Spätestens 1464 ging die Zeit des Geschlechts in Reichenschwand zu Ende, als Ulrich Ratz von Eismannsberg, vielleicht durch eine Heiratsverbindung, die Wasserburg und die dazugehörigen Rechte erwarb [vgl. Eismannsberg I]. Nach seinem Tod kam sie vermutlich um 1480 an Bertold Ratz. Kurz nach 1500 starb Bertold und hinterließ den Sitz seiner Witwe Amalie, die 1504 in Folge des Landshuter Erbfolgekrieges die Landeshoheit der Reichsstadt Nürnberg anerkennen musste. Jahrelang verwaltete ein Administrator, Hans von Seckendorff, das Rittergut, bis es 1531 an Bonaventura Furtenbach verkauft wurde. Dieser stammte aus einer in Feldkirch ansässigen Familie, die im Fernhandel und durch gewagte Transaktionen ein Vermögen gemacht hatte. Der seit 1522 in Nürnberg niedergelassene Furtenbach heiratete eine Tochter Anton Derrers und gelangte nach zum Teil dubiosen Finanzgeschäften mit verschiedenen Fürsten, u.a. mit dem Kaiser und andern Habsburgern, zu sagenhaftem Wohlstand. Die Geschäfte des Bonaventura Furtenbach mit dem kaiserlichen Hof brachten ihm 1548 einen kaiserlichen Adelsbrief und eine Wappenverleihung ein, 1555 sogar die Privilegierung seiner Herrschaft Reichenschwand mit der Gerichtsbarkeit, die von Nürnberg jedoch nicht anerkannt wurde.
Der Unternehmer prägte seinen neuen Besitz auch baulich. Der alte Strahlenfelser Ansitz wurde in den 1530-er Jahren weitgehend erneuert und auch erheblich erweitert. Auf einer um 1538 erstellten Karte vom Flusslauf der Pegnitz wurde ausdrücklich der Vermerk „new erpaut Hauß oder Schloß“ eingetragen. Allerdings war der Furtenbachschen Pracht keine lange Dauer beschieden. Im Zweiten Markgrafenkrieg nahmen die markgräflichen Truppen zunächst am 18. Mai 1552 das Wasserschloss ein, das die Nürnberger unter der Führung von Niklas Nöttelein aber zurückeroberten. Im zweiten Kriegsjahr, am 12. Mai 1553, wurde das Schloss widerstandslos dem Feind übergeben und von diesem ausgebrannt.
Noch vor seinem Tod am 24. Juni 1564 hatte Bonaventura von Furtenbach den bereits wiederaufgebauten Sitz zu einem Fideikommiss bestimmt, um einen Verkauf oder eine Zertrümmerung des Gutes unter seinen Erben zu verhindern. Die Stiftung blieb auch bis zur gesetzlichen Aufhebung durch das Königreich Bayern 1808 bestehen. Hans IV. von Furtenbach war erster Administrator; er ließ den Streit mit der Reichsstadt um die Reichenschwander Gerichtsbarkeit wieder aufleben, der jedoch 1566 mit einer Anerkennung der reichsstädtischen Landeshoheit und Hochgerichtsbarkeit endete.
Unter Hans V. von Furtenbach wurde das neue Schloss ein zweites Mal ruiniert, nämlich 1632 von den Kaiserlichen, die es besetzten, plünderten und zum Teil in Brand steckten. Eine zweite Einnahme des beschädigten Schlosses durch kurbayerische Truppen wurde allerdings im September 1634 von der Reichsstadt gewaltsam beendet. Unter Johann Bartholomäus von Furtenbach begann 1636 allenfalls eine provisorische Instandsetzung. Die eigentliche Wiederherstellung folgte erst in den Jahren 1660 bis 1664 durch die Brüder Johann Sigmund und Johann Wilhelm von Furtenbach. 1692 ließ die Witwe Johann Wilhelms, Ursula Philippina, die so genannte große neue Stube ausbauen und mit Gemälden neu ausschmücken. Unter ihrem 1663 geborenen Stiefsohn Wilhelm August kam es nicht nur in den Jahren 1694 bis 1718 zu einer weiteren Modernisierung des Schlosses, auch der Schlossgarten wurde neu angelegt, wozu die Auffüllung des inneren Wassergrabens, die Errichtung eines Lusthauses und 1712 der Bau einer Springbrunnenanlage gehörten.
Nach der gesetzlichen Aufhebung der Fideikommisse veräußerte man im Dezember 1812 etwa eine Hälfte der Liegenschaft an den königlichen Legationsrat und Oberpostmeister Ernst Gottlieb Heinrich Ritter von Axthelm, 1813 und 1814 wurden ihm schließlich von den Pflegern des von Schlaganfällen gezeichneten Jobst Wilhelm von Furtenbach auch noch die restlichen Anteile verkauft. Der Oberpostmeister gab das Schlossgut im April 1828 für 57.500 Gulden an den aus Böhmen stammenden Medizinalrat Dr. Franz Otto Ritter von Stransky weiter. Dieser begann sofort mit ersten Umbauarbeiten, die sich bis 1831 hinzogen. Nach den erhaltenen Baurechnungen leitete ein Laufer Maurermeister Schmidt die Arbeiten, auch wurde der Mögeldorfer Bauunternehmer Gößel herangezogen [vgl. Mögeldorf II, VIII].
Nach Wilhelm Schwemmer soll der Umbau nach den Plänen des damals in Nürnberg beschäftigten Architekten Karl Alexander Heideloff erfolgt sein. Diese Einschätzung beruht allein auf der Beobachtung, dass die Umformung der Fassaden und der Ecktürme im neugotischen Stil – betont durch Zierzinnen, Fialen und Maßwerke – ganz dem Heideloffschen Wirken in dieser Zeit entspricht. Diese an sich naheliegende Hypothese ließ sich noch nicht belegen. Auch im Nachlass Heideloffs im Archiv des Germanischen Nationalmuseums konnte bisher kein Hinweis auf dessen Urheberschaft gefunden werden.
Trotz des völlig veränderten Erscheinungsbildes blieben wenigstens die massiven Konstruktionen weitgehend erhalten: Das Hauptgebäude der Schlossanlage, einst im inneren Wassergraben gelegen, besteht noch immer aus einer großen, mit dem First etwa in Ost-West-Richtung platzierten Kemenate, an deren nordwestliche und nordöstliche Ecke man jeweils einen Rundturm gestellt hatte. An dieses Hauptgebäude schließen südwestlich und südöstlich zwei schmale Seitenflügel, die einen engen Innenhof begrenzen, dessen südliche Abschlussmauer abgebrochen wurde. Nur am westlichen Seitenflügel wurde stärker eingegriffen, da der viergeschossige Torturm, der ein Satteldach und einen Dachreiter als Glockentürmchen trug, ersatzlos abgebrochen wurde. Im Zuge der Neugestaltung verlegte man den Zugang in die Mitte der Nordfassade. Bei dem Umbau wurden auch die Wehrmauern bis auf die vier Ecktürme abgebrochen und der äußere Wassergraben teilweise aufgefüllt.
Trotz der sicher nicht unbeträchtlichen Investitionen wechselte das Schloss Reichenschwand schon 1837 wieder seinen Eigentümer: Ritter von Stransky veräußerte es für 80.000 Gulden an den Fürsten Adolph Wilhelm von Wrede zu Ellingen, den jüngsten Sohn des berühmten bayerischen Feldmarschalls. Dieser kümmerte sich sehr um den Bauunterhalt und führte viele kleinere Bauarbeiten durch; so ließ er 1842 im südöstlichen Turm der Befestigungsanlage eine katholische Kapelle einrichten und im Garten ein Treibhaus bauen. 1854 verkaufte der Fürst den Besitz schließlich an den Juristen Christian Heinrich Ludwig Thon aus Nürnberg für nur 55.000 Gulden. Hintergrund des Verlustgeschäftes waren wohl weniger der Verdruss des Fürsten über die gesetzliche Aufhebung der Grundherrschaft 1848, als seine stattlichen Schulden bei verschiedenen Gläubigern. Fürst von Wrede hatte allein 1853 bei Thon, der von Bankgeschäften lebte, etwa 20.000 Gulden aufgenommen und das Rittergut Reichenschwand als Sicherheit geboten.
Der aus einer mit Salzbergbau und Darlehnsgeschäften reich gewordenen Familie stammende Thon blieb bis zu seinem Tod 1877 Eigentümer des Schlosses. Sein Sohn Wilhelm und die Witwe erbten das Rittergut. 1882/83 führte Wilhelm Thon eine größere Renovierung durch. 1892 und 1896 wurden die Wirtschaftsgebäude an der alten Zwingermauer abgebrochen und durch verschiedene Neubauten von Verwaltungs- und Ökonomiegebäuden ersetzt. Auf Wilhelm Thon folgte vor 1920 sein Sohn Oskar, der sich seit 1925 persönlich um den Gutsbetrieb kümmerte. Im April 1945 wurde das Schloss von der US-Army besetzt und zum Sitz eines Armeestabes bestimmt. In der Nachkriegszeit verpachtete Oskar Thon das Schloss an Ärzte, die hier ein Kurheim einrichteten. Ein Kur- und Hotelbetrieb blieb bis in die 1970-er Jahre bestehen. Heute gehört das Schloss Reichenschwand dem Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl, der die Anlage wiederum gastronomisch nutzt.
Quellen
BayHStA MK 27405.
StAN Rst. Nbg., Rechnungen des markgräflichen Krieges Nr. 95, 96. Gutsherrschaft Reichenschwand Akten und Rechnungen.
GNM-A Nachlass Heideloff.
Gelegenhait, Nr. 668.
Müllner III, S. 336 f.
NUB Nr. 203, 255.
Literatur
Boeck, Urs: Karl Alexander Heideloff. In: MVGN 48 (1958), S. 178.
Furtenbach, Franz Josef von: Geschichte des Geschlechts Furtenbach 14.–20. Jahrhundert. Hg. v. Amalie von Furtenbach. Limburg 1969.
Giersch, Robert: Archivalienforschung zur Baugeschichte des Schlosses Reichenschwand – Schwerpunkt bauliche Veränderungen an den Fassaden 19./20. Jahrhundert. Manuskript 1999. Unveröff. im BLfD.
Haller von Hallerstein, Helmut Frhr. von: Schloß und Dorf Henfenfeld (= Schriftenreihe der ANL Bd. 35). Nürnberg 1986, S. 13-21.
KDM Hersbruck, S. 256-260, mit Aquarell von J. C. Bankel 1916, Grundriss des Schlosses und Schnitt durch einen Rundturm.
Schwemmer, Wilhelm: Alt-Reichenschwand. In: MANL 28 (1979), Sonderheft Nr. 25.
Voit, Pegnitz, S. 105-112, 242-244.
Abbildung
Ansicht des Schlosses von Südwesten vor dem Umbau, Radierung von C. J. W. C. J. Haller von Hallerstein 1794 (StadtMN)
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