Rückersdorf

  • Herrensitz, „Tucherschloss“
  • Schlossgasse 1-7
  • Gemeinde Rückersdorf
  • Landkreis Nürnberger Land


1234 scheint mit Albert von Rückersdorf erstmals ein Reichsministerialengeschlecht auf, das vermutlich maßgeblich zur Administration und zum Schutz des Reichswaldes eingesetzt war. Bis ins frühe 14. Jahrhundert hinein nannte sich das Geschlecht wechselweise nach Rückersdorf und seinem Sitz in Beerbach [vgl. Beerbach]. Im Laufe des Spätmittelalters ging die Erbforsthube an Nürnberger Bürger über. 1423 wurde sie von der Familie Peringsdorfer an Hans und Elsbet Gotfrid verkauft, ohne dass jedoch ein befestigter Sitz auf dem Reichslehen in den Quellen genannt wird. Auch im Bericht über strategisch wichtige Punkte in der Landschaft, auf Veranlassung des Nürnberger Rates vor Ausbruch des Landshuter Erbfolgekrieges 1504 erstellt, fehlt jeder Hinweis auf eine Befestigung oder einen Herrensitz.

Ein Sitz zu Rückersdorf wird erst 1542 bezeugt, als die Nürnberger Patrizier Erasmus Schürstab und Silvester Tucher gemeinschaftlich im Besitz des Reichslehens waren. Der reiche Nürnberger Montanunternehmer Hans Buchner [vgl. Hartenstein, Oberbürg] hatte die Forsthube 1540 an die Witwe Katharina Ketzel, die Schwiegermutter des Silvester Tucher, verkauft. Nach einem Dokument von 1595 soll das Herrenhaus selbst nicht auf der Forsthube, sondern angeblich auf einem unmittelbar benachbarten Gütlein, das erst in den 1530-er Jahren erworben worden war, gebaut worden sein.

Das vorläufige Ende des Sitzes kam schon im Zweiten Markgrafenkrieg, als markgräfliche Truppen am 25. Mai 1552 „der vorsthueb hawß“ nicht nur in Brand steckten, sondern auch niederrissen. 1555 kaufte Silvester Tucher den Schürstabschen Anteil am zerstörten Sitz und begann mit dem Wiederaufbau. Nach den erhaltenen Bauakten konnte der bis heute erhaltene Kernbau, ein noch mittelalterlich anmutendes Turmhaus mit Fachwerkobergeschossen auf einem massiven Erdgeschoss, bereits 1557 bewohnt werden. Der Versuch der Witwe des früheren Mitbesitzers Erasmus Schürstab, 1555 auf einem angrenzenden Grundstück ein zweites Herrenhaus bauen zu lassen, scheiterte am Widerstand des Waldamtes und der Familie Tucher.

Mehrmals wurde der Herrensitz noch im 16. Jahrhundert baulich erweitert: Bemerkenswert ist die Errichtung eines Anbaus, des so genannten Neuen Baus, den die Witwe Ursula des 1564 verstorbenen Sylvester Tucher um 1572 durchführen ließ. Als Ursula Schlegel, verwitwete Tucher, 1593 starb, vererbte sie die Forsthube mit dem Herrensitz an einen Verwandten, an Christoph Größer. Der neue Besitzer führte noch 1594 eine Renovierung durch. Unter Größers Witwe folgten 1607 der Neubau des Voithauses, für den sich bis heute die Eingabepläne erhalten haben, und die bauliche Vereinigung des Herrenhauses mit dem Neuen Bau von 1572.

Im 30-jährigen Krieg wurde die gesamte Ausstattung, auch die Wandvertäfelungen, ausgebaut und in Nürnberg eingelagert. Die Familie Größer ist auch nicht wieder nach Rückersdorf zurückgekehrt. Andreas Paulus Größer, zeitweise Pfleger des reichsstädtischen Amtes Reicheneck, hatte sich während des Krieges erheblich bei der Witwe Magdalena Tucher verschuldet, die schließlich, als die Rückzahlung ausblieb, 1650 eine Zwangsvollstreckung erwirkte. Unmittelbar vor der Versteigerung kamen Größer und seine Ehefrau Margaretha unter nicht genannten Umständen ums Leben. Durch einen gerichtlichen Vergleich mit den Vormündern der sieben minderjährigen Kinder wurde daraufhin dem Sohn der Gläubigerin, Johann Sebastian Tucher, das Schlossgut zugesprochen. Der ihm zugefallene Herrensitz brachte Johann Sebastian Tucher wenig Glück: Im April 1663 wurde seine 29-jährige Ehefrau auf einer Fahrt von oder nach Rückersdorf auf offener Straße bei Behringersdorf von Unbekannten ermordet.

Nach Tuchers Tod 1684 erbte dessen Sohn Johann Gottlieb das Gut. Dieser diente lange Jahre als hoher Offizier bei den Truppen des Fränkischen Kreises sowie als reichsstädtischer Pfleger von Reicheneck und Engelthal und räumte das Herrenhaus seiner Stiefmutter Helena Barbara, einer geborenen Ebner, als Witwensitz ein [vgl. Happurg II]. 1741 ließ der damals schon 79-jährige Schlossbesitzer das bis dahin wohl noch nicht bewohnbare, hallenartige Erdgeschoss des Herrenhauses für seinen kränklichen Sohn Carl Benedict ausbauen. Dieser errichtete 1745 im nördlichen Schlossgarten die heute als Wohnhaus genutzte Orangerie.

Mit Carl Benedict starb 1750 diese Linie der Familie Tucher aus. Sein Vermögen fiel an den Schwiegersohn Johann Georg Haller von Hallerstein [vgl. Großgründlach II, Hallerweiherhaus, Henfenfeld], damals Pfleger des reichsstädtischen Amtes Hersbruck. Nachdem dessen Tochter Maria Hedwig Jakobina bereits 1816 ihrem Rückersdorfer Voit und Gärtner Häffner das Voithaus und einen großen Teil des Schlossgartens vermacht hatte, wurde der Restkomplex 1822 von der Erbengemeinschaft in Teilen an Meistbietende verkauft. Schließlich befand sich das Herrenhaus in der Hand dreier Eigentümer. Der Teil, der an den Revierförster Hofmann gegangen war, wurde seit 1846 vorübergehend als Schulhaus genutzt. Recht unglücklich entwickelten sich jüngere Umbauten, so der Einbau von Mietwohnungen in den Jahren nach 1940, der den Verlust vieler historischer Ausstattungsteile mit sich brachte, und die Veränderung der bis dahin ungestörten westlichen Fensterachsen 1961. Ein Brand im Jahr 1958 verlief dagegen glimpflich. Das Herrenhaus ist heute Besitz der Gemeinde Rückersdorf.

Quellen


Gelegenhait, Nr. 674, 678, 687.

NUB Nr. 269, 295.    

Literatur


Deliciae II, S. 163.

Giersch, Robert: Archivforschung Herrensitz Rückersdorf. Denkmalpflegerische Voruntersuchungen 1991, unveröff. im BLfD.

Ders.: Geschichte des Rückersdorfer Herrensitzes. In: MANL 43 (1994), Heft 1, S. 205-234, mit Planreproduktionen und historischen Fotografien.

KDM Lauf, S. 416-420.

Kleinöder, Evi / Rosenbauer, Wilhelm: Rückersdorf. Ein Ort im Wandel. Rückersdorf 1984, S. 20-23, 76-81, 175 f.

Voit, Pegnitz, S. 225 f.


Abbildung

Ansicht des Herrenhauses aus nordwestlicher Richtung, Fotografie: G. v. Volckamer um 1894 (StadtMN)

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