Schweinau I
- Abgegangenes Herrenhaus (zerstört 1943/45)
- Lochnerstraße 12
- Stadt Nürnberg
Das einst prächtige zweigeschossige Wohnhaus, knapp 17 Meter lang und fast 12 Meter breit, wurde einige Zeit vor 1798 von dem Weinhändler Peter Fischer „neu erbaut“, und zwar auf einem von Peter Pfeßel nach 1776 erkauften „Gütlein“, das der Dompropstei Bamberg grundbar war. Der auch als Schweinauer „Wiesenwirt“ bekannte Bauherr war jedoch spätestens Ende 1798 zahlungsunfähig. Anlässlich der anstehenden Zwangsvollstreckung besichtigten die Schweinauer Gerichtsschöffen und der Gostenhofer Maurermeister Conrad Haas Anfang 1799 das Gebäude. Sie waren vom Erscheinungsbild sehr angetan und bemerkten ausdrücklich, dass „dasselbe überhaupt nach einem guten Geschmacke gebaut und eingerichtet“ sei. So fanden sich im Erdgeschoss drei getäfelte Zimmer, ein Kabinett, eine große Küche mit Speisekammer und zwei gewölbte Lagerräume. Im Obergeschoss fielen ihnen ein Tanzsaal und zwei repräsentative Zimmer auf, von denen eines mit einer kunstvoll bemalten Wachstapete, das andere mit einer nicht weniger kostbaren Leinentapete behängt war. Selbst die Decken der Flure und Vorplätze waren stuckiert, die Fußböden dort mit „weißen Marmorplatten“ (vermutlich Juramarmor) belegt und die aufwändig gearbeiteten Zweiflügeltüren mit französischen Messingschlössern beschlagen. Das Anwesen verfügte auch über ein zweigeschossiges Nebenhaus mit Pferdestallungen, einen Fachwerkstadel und eine Hofmauer als Einfriedung. Dass die vom Großvater und Vater 1776 ererbte Wirtschaftsgerechtigkeit des „Wiesenwirts“ auf das Haus übertragen worden war, lässt auch eine entsprechend geplante Nutzung annehmen.
Bei dem Zwangsversteigerungstermin am 22. März 1800 erhielt Christian Wilhelm Karl Graf von Pückler und Limpurg mit einem Höchstgebot von 13.100 Gulden den Zuschlag. Der Käufer war einer der drei Inhaber der Herrschaft Burgfarrnbach, die wegen Verschuldung unter der Aufsicht einer kaiserlichen Debit-Kommission stand. Vermutlich hat der Graf das neue Schweinauer Haus auch persönlich bewohnt, da er, mit seinen Brüdern zerstritten, nach einer Abfindungszahlung seine Wohnung im Burgfarrnbacher Schloss geräumt hatte. Bereits 1802/03 ließ er ein eingeschossiges, massives Hofhaus zur Unterbringung einer Torwärterwohnung und einer Waschküche anbauen.
Nach dem Tod des Grafen im April 1816 ging das zum Herrensitz avancierte Anwesen für 16.150 Gulden an den Bleistiftfabrikanten Johann Mulzer, der 1823 starb und dasselbe seiner Witwe Helena Maria hinterließ. Sie veräußerte es aber schon 1825 für 13.000 Gulden an Michael August Stöttner, ebenfalls Bleistiftfabrikant, während die Mulzersche Fabrik von Paul Mulzer weiter betrieben wurde. In der Zeit danach wurde auf dem großen Hofraum und vermutlich auch auf Gartenland eine Bleistiftfabrik errichtet, die später mit dem Herrenhaus an den Fabrikanten Christian Friedrich Nopitsch kam. 1868 übergab er die Liegenschaft, bebaut mit zwei Wohnhäusern, dem Fabrikgebäude, einer Lagerhalle und diversen Nebengebäuden an Moritz und Anna Magdalena Nopitsch. Die Übernehmer begannen ab 1870 mit einer erheblichen Erweiterung der Bleistiftfabrik, die 1882 sogar ein Dampfkesselhaus erhielt. Im frühen 20. Jahrhundert wurde der Betrieb zu einer Lackfabrik, die 1924 unter dem Namen Mehnert & Veeck KG firmierte.
Das einstige Herrenhaus ging bei einem Luftangriff 1943/45 vollständig zugrunde. Es handelte sich um einen Sandsteinquaderbau, dessen Haupteingang durch einen profilierten und mit hervorgehobenem Schlussstein betonten Korbbogen sowie eine horizontale Werksteinverdachung geziert wurde. Die klassizistischen Fassaden zeichneten sich durch strenge Symmetrie, große Fensteröffnungen mit profilierten Werksteinrahmungen und schlichten Eckpilastern aus.
Heute steht hier ein gelungener Bau der 1950-er Jahre, der sich an die Gestaltung des alten Hauses anlehnt.
Quellen
StAN LG ä.O. Nürnberg Grundakten StG Schweinau Nr. 60. Kataster Schweinau Nr. 1, 4, 12.
StadtA Fürth Pückler-Archiv Akten Nr. 864 I, 873.
Literatur
Rusam, Hermann: Schweinau. Ein ehemals bambergisches Dorf im Sog der großstädtischen Entwicklung Nürnbergs. In: MANL 36 (1987), Heft 2, S. 289-302, S. 297 mit falscher Angabe zur Erbauung.
Rusam, Dorfkerne, S. 154-158.
Abbildung
Blick von Norden auf das Herrenhaus an der Lochnerstraße.Fotografie: F. A. Nagel 1941 (StadtMN)
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