Sündersbühl III

  • Abgegangener Herrensitz, „Burgfriedschlösschen“ (1943/45 zerstört)
  • Rothenburger Straße 154-158
  • Stadt Nürnberg


Der noch lange gebräuchliche Name „Burgfriedschlößchen“ für diesen Sündersbühler Herrensitz erinnert an einen wehrhaften mittelalterlichen Wohnturm, der erstmals 1360 aufscheint, als Bertold Pfinzing einen Hof zu Sündersbühl an Herman Stolz vererbte, mit Ausnahme „dez perfrids und dez gertleins, do daz perfrid innen stund“. Von Pfinzing gelangte der Besitz an die Stromer, denn 1384 verkaufte Hans Stromayr (Stromer) einen halben Anteil am Hof und den Bergfried zu Sündersbühl an seinen Bruder Konrad. Der veräußerte den Bergfried, der in einem Weiher stand, mit dem landwirtschaftlichen Gut im Vorhof 1391 an Conrad Kötzner. Dessen Söhne Eberhard und Kraft Kötzner wurden am 27. Oktober 1408 vom Bamberger Bischof Albrecht belehnt. Am Turmhaus war vor 1424 eine „abseiten“ (Flügelgebäude) angebaut worden. In jenem Jahr ging der Sitz an den Nürnberger Bürger Hans Eysenmanger über. Dieser vererbte das Lehngut an Paul und Sebald Eysenmanger. 1460 wurden Endres und Hans Eisenmanger belehnt. Die Familie verkaufte den Sitz an Martin Holzschuher, dessen Söhne Martin und Fritz 1467 das Lehen empfingen.

Allerdings wurde der Sitz in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nicht mehr als Bergfried, sondern als „burgstall“ bezeichnet, was auf eine Zerstörung möglicherweise im Ersten Markgrafenkrieg 1449/50 schließen lässt [vgl. Sündersbühl I]. Als das Lehen 1502 von Martin und Paul Holzschuher an ihren „Schwager“ Peter I. Imhoff veräußert wurde, dürfte an der Stelle des Burgstalls nur ein weniger wehrhaftes Bauwerk gestanden haben. Im Kaufbrief wurde der Sitz als „herren heußlein daselbst zum Sinterspühl, genannt der bergfried“ geführt. Vielleicht hatte ein eher bescheidenes Erscheinungsbild dafür gesorgt, dass der Sitz nicht in der Erhebung von 1504 über die Beschaffenheit der Landschaft um Nürnberg genannt wird.

Das Gut blieb für Jahrzehnte im Besitz der Familie Imhoff. Genannt werden als Inhaber und Bamberger Lehnsleute 1523 Sebastian und Peter II. Imhoff, 1546 Hieronymus, Wolf und Henslein (Söhne Peters II.), 1570 Jörg und zuletzt 1587 Hans d. Ä. und seine Vettern, die Brüder Georg und Maximilian Imhoff. Als diese drei den Herrensitz 1588 veräußerten, bestand er aus zwei Gebäuden, nämlich dem Herrenhaus und dem so genannten alten Haus, sowie mehreren Ökonomiegebäuden. Erwerber war der Kaufmann Carl (Carlo) Wertemann, dessen Vorfahren, die eigentlich Vertemati oder Vertema hießen, von Plurs im Bergell nach Nürnberg eingewandert waren und in Nürnberg u.a. ein Wohn- und Geschäftshaus in der heutigen Winklerstraße erworben hatten. Schon 1575 betrieben sie in Nürn-berg drei Firmen, die sich vor allem im Handel mit Seide, Wein, Gewürzen und Fisch engagierten. Immerhin war ihr Heimatort Plurs Stapelplatz für italienische Seide.

Carl Wertemann wandte sich 1589 an das Waldamt Lorenzi, weil er eines der Imhoffschen Herrenhäuser, das jetzt aus zwei T-förmig zusammengefügten Flügeln bestand, umbauen wollte. Vor allem sollte der eine nur eingeschossige Flügel ebenfalls aufgestockt und ein zweites Gebäude, das offenbar seit dem Zweiten Markgrafenkrieg 1552 ruiniert lag, wiederhergestellt werden. Das eher bescheiden anmutende Vorhaben führte zu einem Prachtbau, wie die Ansicht des neuen Schlosses auf einem Blatt des so genannten Cnopfschen Skizzenbuches aus der Zeit um 1614 beweist. Der viergeschossige „Gartenpalast“ sollte offenbar für Mußestunden der in der Stadt wohnenden Kaufmannsfamilie dienen. Der Neubau präsentierte sich als typisches Nürnberger Weiherhaus mit vier Ecktürmchen, dessen Erdgeschoss mit Arkaden aufgebrochen worden war. In einem der Obergeschosse ließ Wertemann einen Saal einrichten, auf dessen Deckenspiegel kunstvoll der Stammbaum der italienischen Familie gemalt wurde. Friedrich August Nagel hatte seinerzeit noch im Stadtarchiv Nürnberg eine Abbildung des Plafonds entdeckt. An das Gebäude wurde außerdem ein Treppenturm angebaut.

Ein Besitzanteil an dem prachtvollen Anwesen wurde an einen Sohn übergeben, der eine glänzende Karriere als kaiserlicher Hofrat durchlief, an der Universität Pisa zu einem „Rector der deutschen Nation“ ernannt, kaiserlicher Gesandter am Hofe König Ludwigs XIII. von Frankreich und schließlich als Matthias von Wertemann auf Sallegg geadelt wurde. Gleichwohl soll das Wertemannsche Handelshaus nach riskanten Geldgeschäften mit dem Reichspfennigmeister Matthäus Welser schon 1607 in Konkurs gegangen sein. Der Konkurs entwickelte sich zum dramatischen Kriminalfall, als während der Abwicklung 1608 zwei Familienmitglieder, Wilhelm und Alusio Wertemann, unter mysteriösen Umständen gleichzeitig verstarben. Daraufhin wurde die gesamte wertvolle Ausstattung des Herrenhauses beschlagnahmt und im Haus in der Winklerstraße unter Verschluss gebracht. Überliefert wird auch, dass sich Carl Wertemann, vielleicht noch identisch mit dem gleichnamigen Bauherrn von 1589, in Prag und sein Bruder Francesco in Bamberg in Sicherheit gebracht hatten und nicht daran dachten, nach Nürnberg zurückzukehren. 1610 wurden schließlich die Mobilien, auch die Sündersbühler Ausstattung, aus dem Haus in der Winklerstraße gestohlen. Bei einem Einbruch wurde sogar eine Sprengladung angebracht, die glücklicherweise nicht zündete. Die Einbrüche, gleich drei hintereinander, wurden nie aufgeklärt; die Gläubiger, zu denen auch der Ansbacher Markgraf zählte, blieben unbefriedigt.

Offenbar wurde nur das Vermögen in der Stadt um 1610 liquidiert. Der Sitz in Sündersbühl dagegen blieb als Bamberger Lehen im Besitz mindestens eines Familienmitglieds, das schließlich den Untergang im 30-jährigen Krieg miterleben musste. Das 1632/34 zerstörte große Herrenhaus blieb vermutlich für immer öd liegen. Wann und in welchem Umfang die übrige Bebauung des „Burgfriedschlösschens“ wiederhergestellt wurde, ist noch nicht geklärt. Als Hieronymus Franziskus Wertemann 1699  belehnt wurde, war wohl nur das kleinere, an der Straße liegende Herrenhaus wieder aufgebaut.

Der letzte des Kaufmannsgeschlechts starb 1700 ohne männliche Erben, sodass das Gut an die Lehnsherrschaft heimfiel und danach an den kaiserlichen Postoffizier Wolfgang Antoni Oexle von Friedenberg verliehen wurde. In einer Nachricht vom April 1707 ist davon die Rede, dass das Anwesen von „liederlichen“ Leuten bewohnt werde und vernachlässigt sei. In diesem Zusammenhang wurde auch bemerkt, dass dieses Gebäude, in dem die „Werdemänner daselbst gewohnt“, einst nur das „Pomeranzenhaus“, demnach wohl eine Kombination von Sommerhaus und Orangerie, gewesen sei. Dieser Bau soll im frühen 18. Jahrhundert am Dach und am Mauerwerk sehr ruinös gewesen sein.

1770 gelangte das Anwesen an den Fürther Kaufmann und Brauer Johann Georg Hofmann, der es 1773 an Heinrich Salomon und Daniel Friedrich Hofmann vererbte. Ersterer starb als Braumeister zu Fürth 1796, sein Bruder 1795 als königlich-preußischer Brauereiverwalter zu Zirndorf. 1798 wurde der ehemals brandenburg-ansbachische Rat Daniel Hofmann mit dem Gut belehnt. Nach seinem Ableben nach 1821 erbte dessen Sohn Heinrich Salomon Hofmann das mittlerweile von der Lehenbindung befreite Gut. Im Juni 1855 wurde es einer Erbengemeinschaft, bestehend aus der Witwe Barbara Hofmann und den drei Kindern, überschrieben. Sie verkaufte die Liegenschaft im August 1869 an Joseph und Josephine Beck aus Nürnberg. Das Privatiersehepaar führte 1870/71 umfangreiche Um- und Neubauten durch. Das Anwesen ist bei Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg beschädigt und in den Jahren nach 1945 abgebrochen worden.

Quellen


StAN Rst. Nbg., Waldamt Lorenzi I Nr. 512, 1315. Rst. Nbg., Prozessakten Nr. 1989 II. Kataster Sündersbühl Nr. 1, 4, 8, 11.

StadtAN A 1 Nr. 1378, September 28 (Vidimus 1360, Januar 30). E 10/21 Nr. 113.

GNM-A Imhoff-A Teil II Nr. 20.

Müllner I, S. 338.

Literatur


Deliciae II, S. 90.

Giersch, Robert: Archivalien zur Bau- und Nutzungsgeschichte des historischen Bürgerhauses Winklerstraße 13 in Nürnberg. Denkmalpflegerische Voruntersuchung 1995. Unveröff. im BLfD.

HAB Nürnberg-Fürth, S. 176.

Rusam, Dorfkerne, S. 191-197.

Unger, Eike Eberhard: Nürnbergs Handel mit Hamburg im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert. In: MVGN 54 (1966), S. 18, 47 f.


Abbildung

„Sinderspüel“ von Norden im so genannten Cnopfschen Skizzenbuch von um 1612/14, rechts der im Weiher stehende Wertemannsche Sitz, links Sündersbühl I (südlich der Straße von links: repräsentative Gebäude einer Gärtnerei und eines Gasthofs) (HallerA)

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