Wendelstein I
- Abgegangener Herrensitz, „Großscher Burgstall“
- Bereich Kirchenstraße 18-28
- Markt Wendelstein
- Landkreis Roth
Schon im Hochmittelalter dürfte dem königlichen Richter und Amtmann ein befestigter Sitz zur Verfügung gestanden haben. Der Nürnberger Ratsschreiber Johannes Müllner berichtete 1623 in seinen Annalen, dass bei der Wendelsteiner Pfarrkirche „noch viel altes Gemäur vor Augen, da vor Jahren ohne Zweifel der Wendelsteiner Residenz gewest. Ist heutigs Tags nur ein hülzernes Haus allda. Auf dem hat Ißmeria, Gabriel Kolben Wittib ... dem Rat zu Nürnberg Öffnung verschrieben, Anno 1592“. Er bezog diese Nachricht also auf den freieigenen Sitz unmittelbar westlich der Kirche, dessen Gebäude an der Nordwestseite noch heute von den Resten einer spätmittelalterlichen Mauer eingefasst werden.
Schlüpfinger behauptete, es handele sich dabei um jene Hälfte des an Konrad Groß verpfändeten Amtshofes, die derselbe sich 1351 bei der Weitergabe des Pfandes an Arnold von Seckendorff zurückbehalten hatte. Das erscheint aber angesichts der vielen Besitzverschiebungen zwischen den Teilhabern des Amtes Wendelstein keineswegs gesichert. Sollte an dieser Stelle tatsächlich bereits ein alter Sitz gestanden haben, so wurde er wohl spätestens 1449 zerstört, als Markgraf Albrecht Achilles am 11. Juli auch in Wendelstein einfiel und den Ort restlos niederbrannte, dass „im flecken nit mer dann ein behausung“ stehen blieb, wie sich der damalige Wendelsteiner Gerichtsschreiber Niklaus Nöttelein 1528 erinnerte.
1518 war die freieigene Hofstatt im Besitz von Niklas und Simon Groß. Auf sie geht offenbar der spätere Hausname „Großscher Burgstall“ zurück. Die Brüder verkauften es 1518 ihrer Schwester Katharina, die mit dem Nürnberger Bürger Niklas Kolb verheiratet war. Sie räumte noch im selben Jahr der Reichsstadt das Öffnungsrecht im Kriegsfall ein. 1548 einigten sich die Erben auf eine Übergabe ihrer Anteile an dem freieigenen Sitz oder Haus „gegenüber dem Spitalhof [vgl. Wendelstein II] neben der Kirche“ an den Miterben Gabriel Kolb. Dessen Witwe Ismeria geborene Pömer erneuerte 1592 das Öffnungsrecht.
Nach 1600 geriet das Herrenhaus an den Nürnberger Bürger Joachim Kleewein und seine Ehefrau Klara, die eine geborene Baumgartner war. 1636 kam es nach einer Erbeinigung unter den Kindern zur Übernahme durch Maria Magdalena Kleewein, die den Patrizier Johann Friedrich Löffelholz von Colberg (1587–1640) geheiratet hatte. Von diesen gelangte der Besitzkomplex mit zwei Häusern, Stadel, Stallung, Gärtlein und der von einer Quadersteinmauer umfangenen Hofreit an die Tochter Clara Regina, die in zweiter Ehe seit 1677 mit Johann Jobst Harsdorfer vermählt war. Sie gaben das Erbrecht an der Liegenschaft an Heinrich Oed und schließlich 1682 an dessen gleichnamigen Sohn. Bis 1761 hatten sich an der Stelle des längst abgegangenen Herrenhauses ein Gütlein (Kirchenstraße 26) und zwei Häuser etabliert, die der Grundherrschaft der Behaimschen Familienstiftung unterstanden. Nach Heinrich Schlüpfinger soll das Haus mit der alten Nummer 68 (Kirchenstraße 22) das ehemalige Voithaus des Sitzes gewesen sein.
Quellen
StAN Rst. Nbg., Losungsamtliche Reverse Nr. 105. Ft. An., Differenzen, Nürnberger Bücher Nr. 95.
Müllner I, S. 354; II, S. 433.
Literatur
Deliciae II, S. 105 f.
Schlüpfinger, Heinrich: Wendelstein. Geschichte eines Marktes mit altem Gewerbe und moderner Industrie (= Schriftenreihe der ANL Bd. 17). Nürnberg 1970, S. 6, 22, 51 f, 98-100, 241 f.
Abbildung
Ansicht neuzeitlicher Gebäude auf der alten Burgstelle, Fotografie: F. A. Nagel 1910 (StadtMN) 488 Gabriel
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