Wendelstein II

  • Ehemaliger Richteramtshof, „Wendelsteiner Schlösschen“
  • Kirchenstraße 3
  • Markt Wendelstein
  • Landkreis Roth


Als Wendelsteiner Schlösschen wird gemeinhin ein Anwesen bezeichnet, dessen repräsentatives Erscheinungsbild durchaus einem Herrenhaus entspricht. Es soll aus dem „freien Amthofe bei der Kirche zu Wendelstein“ hervorgegangen sein, der 1427 in einer Lehenurkunde König Sigmunds erwähnt worden und 1467 mit dem Verkauf von drei Vierteln der Gerichtsrechte durch Hans und Franz Ortolf an das Nürnberger Heilig-Geist-Spital gegangen war. Dieses verpachtete bzw. vererbte den Hof bzw. die Gebäude an Personen, die nur gelegentlich mit dem jeweiligen Nürnberger Richter identisch waren.

Eine Inschrift in einem Fenstersturz soll auf einen Neubau des Richteramtshauses im Jahr 1545 hinweisen. Ob dies auf der Stelle des möglicherweise teilweise integrierten Vorgängerbaus geschah, scheint nicht geklärt. Jedoch wurde auch der erneuerte Amtshof als Erbzinslehen vergeben. 1555 erscheint der Nürnberger Bürger Augustin Fürnberger als Lehnsinhaber. Ihm folgte vor 1562 Dr. Melchior Ayrer, Nürnberger Stadt- und Spitalarzt. Der 1579 verstorbene Gelehrte wurde durch ein Kunstkabinett und seine astronomischen sowie mathematischen Forschungen berühmt. Weitere Erbrechtler waren seit 1600 Sebastian Müller, 1616 Caspar Plank und 1638 Franz Reuter. Nach dem Ende des 30-jährigen Krieges lässt sich die Juristenfamilie Herold auf dem Amtshof nachweisen, letztmals 1729 Johann Michael Herold.

Nachdem das Heilig-Geist-Spital das Erbrecht von der Witwe Herold zurückgekauft hatte, wurde das von nun an nur noch öffentlich genutzte Gebäude um 1736 durch einen weitgehenden Umbau verändert. Eine Datierung an der Westseite erinnert an diese Baumaßnahme. Im Jahre 1758 wurde die Gerichtsstube im ersten Obergeschoss zu einem Herrensaal für repräsentative Anlässe umgebaut und die Gerichtsstube in das zweite Obergeschoss verlegt. In dem Amtshaus fanden damals auch die Richterwohnung, diverse Gastzimmer und ein Raum für die Utensilien des Amtsknechtes wie Prangergeräte, Fuß- und Handketten Platz.

Erst das Königreich Bayern hob den Amtssitz auf und ließ die Gebäude privatisieren. Georg Andreas Ammon ersteigerte ihn 1809. Die 1818 von Ammons Nachfahren auf dem Anwesen etablierte Brauerei gelangte mit dem Hauptgebäude an die Familien Weiß und Lang, aus deren Besitz das Brauhaus Lang & Maisel hervorging. Dieses war noch in den 1970-er Jahren in Betrieb, wobei das Richterhaus zuletzt die Büros der Brauerei beherbergte. Dann erwarb die evangelische Kirchengemeinde den ehemaligen Amtssitz und ließ ihn 1987 bis 1989 für eine Diakoniestation mit Kurzzeitpflegeplätzen umbauen. Beim Richteramtshaus handelt es sich um einen dreigeschossigen, verputzten Massivbau, der vom abgewalmten Dach und den beiden Giebeltürmchen sowie einem Zwerchhaus an der Südseite geprägt wird. Diese Dachlandschaft vermittelt dem Bau das Erscheinungsbild eines frühneuzeitlichen Nürnberger Herrenhauses. Ob die 1970 noch vorhandenen Stuckdecken und Ausstattungen die Modernisierungen zur Gänze überstanden haben, ist zweifelhaft.

Quellen


StAN Rst. Nbg., Waldamt Lorenzi I Nr. 535.

Literatur


Alberti, Volker / Baumann, Lorenz / Holz, Horst: Burgen, Schlösser und Herrensitze in Kornburg und Umgebung (= Adelssitze in Franken 5). Nürnberg 2005, S. 39-45.

Diakonieverein Wendelstein e.V. 2006. URL: <http://www.diakonie-wendelstein.de>.

KDM Schwabach, S. 408 f.

Schlüpfinger, Heinrich: Wendelstein. Geschichte eines Marktes mit altem Gewerbe und moderner Industrie (= Schriftenreihe der ANL Bd. 17). Nürnberg 1970, S. 6-9, 45 f und Tafel I.

Stadtlexikon Nürnberg, S. 93.


Abbildung

Blick auf das „Wendelsteiner Schlösschen“, den ehemaligen Nürnberger Richteramtshof, Fotografie: G. v. Volckamer um 1894 (StadtMN)

Lageplan

Klicken Sie auf [+] um die Ansicht zu vergrößern, [-] zum Verkleinern. Mit Hilfe der Pfeil-Schaltflächen können Sie die Karte verschieben.