Ziegelstein I
- Abgegangener Herrensitz, „Hallerschloss“ (1642 zerstört)
- Bereich Ziegelsteinstraße 201 a
- Stadt Nürnberg
Die Anfänge von Ziegelstein liegen im Dunkeln. Eine nur durch archäologische Grabungen bekannte, in das 10. Jahrhundert datierte Siedlungsstelle lag einige hundert Meter östlich des späteren Ortskerns, wurde aber anscheinend bald wieder aufgegeben. Die vermutlich schon im Hochmittelalter aufgekommene Produktion von Ziegelwaren gab dem Ort zunächst den Namen „Ziegelhof“, der noch bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts gebräuchlich war. Wohl im 14. Jahrhundert entstand hier auf einer künstlichen Erhebung in der sumpfigen Talaue ein reichslehnbarer Herrensitz, der 1370 erstmals urkundlich bezeugt wurde, als Peter III. Haller sein mit Zäunen und Gräben befestigtes Haus „zu dem Zyegelhof“ dem Nürnberger Rat für den Kriegsfall öffnete. Der Sitz erhielt den Namen Ziegelstein, der allmählich auch für das Dorf üblich wurde.
Entsprechend dem Testament fiel das Erbe 1425 als ungeteilter Besitz an Peter Hallers sechs Söhne Christian I., Peter IV., Jakob II., Wilhelm I., Paulus I. und Georg III. Haller, die von König Sigmund mit dem Haus Ziegelstein, allen Gütern daselbst und dem „Feld im See“ belehnt wurden. Diese vom Vater angeordnete Besitzgemeinschaft ließ aber Jakob Haller durch König Friedrich 1440 aufheben und sich mit einem Sechstel-Anteil belehnen mit dem Recht, diesen weiter zu verleihen oder zu verkaufen. Kurz darauf veräußerte er ihn an seinen Bruder Paulus, was 1441 zu einem Prozess mit Georg und dem Neffen Wilhelm II. führte, die offenbar vergeblich am gemeinsamen, ungeteilten Besitz festhalten wollten. Obwohl Paulus Haller zuletzt drei Viertel von Ziegelstein an sich bringen konnte, wurde der Besitz in der nächsten und übernächsten Generation völlig zersplittert, zeitweise bis in Zweiunddreißigstel- und Sechsunddreißigstel-Anteile. Dazu hatte ein 1478 erteiltes Privileg beigetragen, das den Haller erlaubte, ihre Reichslehen nach Belieben zu verkaufen, zu vererben usw. Immerhin blieben alle Anteile in der Familie.
Inwieweit Ziegelstein von den wechselnden Teilhabern auch bewohnt wurde, ist nicht bekannt. Gleich zu Beginn des Ersten Markgrafenkrieges im Juli 1449 wurde das Dorf und dabei wahrscheinlich auch der Sitz in Brand gesteckt. Die Instandsetzung erfolgte wohl bald nach Kriegsende. Im Salbuch des Ruprecht Haller von 1488 wird „Ziegelstein mitsampt dem haws, greben und gütern“ ohne Hinweis auf irgendwelche Schäden genannt. Auch der Bericht zur Erkundung der Landschaft vor Ausbruch des Landshuter Erbfolgekrieges 1504 erwähnt den Sitz bzw. das „schloslein“ zu Ziegelstein. Damals wurde er mit einigen Nürnberger Hakenschützen besetzt.
Ein Ururenkel Peter I., Bartholomäus I. Haller von Hallerstein, der 1525 Reichsbann- und Stadtrichter in Nürnberg wurde und 1551 als Reichsschultheiß von Frankfurt am Main starb, brachte ab 1518 den zersplitterten Besitz nach und nach ganz in seine Hand. 1526 wurde er von den Markgrafen im so genannten Neugebäu-Prozess verklagt, weil er in Ziegelstein eine starke Kemenate mit einem Zwinger, vier Türmen, guten Streichwehren und Schießlöchern errichtet habe, die von drei Wassergräben umgeben seien. Dass Bartholomäus Haller den Sitz weiter ausgebaut hat, ist anzunehmen, über Einzelheiten und den früheren Zustand der Anlage sind wir allerdings nicht unterrichtet.
Eine Miniaturmalerei in drei Exemplaren seiner Geschlechterbücher um 1533 überliefert das mit der Beschreibung von 1526 übereinstimmende Erscheinungsbild des Herrensitzes zu dieser Zeit. Demnach handelte es sich um eine kleine, gut befestigte Wasserburg. Das wohnturmartige Hauptgebäude aus Sandsteinquadern wies eine gewisse Ähnlichkeit mit dem erhaltenen Neunhofer Schloss auf: zwei Obergeschosse auf einem hohen, nur mit kleinen Lichtöffnungen versehenen Sockelgeschoss, und an den Schmalseiten saßen zwei über die gesamte Breite reichende Zwerchhäuser aus Fachwerk auf [vgl. Neunhof bei Kraftshof]. Dem Herrenhaus war an der Nordseite ein kleinerer Anbau angefügt, der den großen rundbogigen Eingang enthielt. Beide Gebäude waren von einer zinnenbekrönten, mit vier Eckbasteien (den 1526 erwähnten „Türmen“) versehenen Zwingermauer umgeben. Die kleine Wasserburg lag in einem Weiher und war nur über eine schmale Insel zu erreichen, die als Vorhof diente und auf der kleinere Wirtschaftsbauten und ein 1513 errichteter Fachwerkbau standen, den die Haller ohne Genehmigung zunächst als Kapelle aufgeführt hatten. Die prompt ausgesprochene Abbruchverfügung des Nürnberger Rates [vgl. auch Zerzabelshof] wurde schließlich dahin abgeändert, dass der Bau als Pferdestall (!) stehen bleiben durfte. Der Zugang war nur über zwei Wippbalkenbrücken möglich, wobei die erste auf den Vorhof und die zweite von dort zur Hauptburg führte. Die Wehranlage war zusätzlich durch einen äußeren Wassergraben und einen Flechtzaun geschützt. Diese Annäherungshindernisse sind schon für das Jahr 1370 bezeugt.
Leider ist die baugeschichtliche Überlieferung des Sitzes, die nach einer Notiz vermutlich noch vor 1806 dem Akt des Waldamtes Sebaldi entnommen wurde, heute verschollen. Lediglich die Aufschrift auf dem erhaltenen Aktendeckel weist auf den Wiederaufbau des „seit 1552 in der Asche gelegenen adelichen Burgstall oder Schloßes zu Ziegelstein“ nach dem Zweiten Markgrafenkrieg. Nach den Kriegsrechnungen der Reichsstadt wurde der Sitz jedoch erst am 26. Mai 1553 von markgräflichen Truppen niedergebrannt. Bartholomäus Haller war bereits 1551 gestorben und hatte so die Zerstörung seines Schlosses nicht mehr erleben müssen. 1552 wurden seine drei Söhne Christoph, Ruprecht und Wolf von Kaiser Karl V. mit Ziegelstein belehnt. Der jüngste von ihnen, der kaiserliche Reichspfennigmeister Wolf VIII. Haller [vgl. Mögeldorf I, III], ließ bereits 1554/55 gleichzeitig an der Instandsetzung des Sitzes und der Hallerschen Ziegelei arbeiten und erhielt dazu Bauholz aus den Wäldern des damals von der Reichsstadt okkupierten Klosters Frauenaurach. Da das massive Herrenhaus nur ausgebrannt war, wurde es vermutlich in der alten Form wieder hergestellt. Vielleicht wurden die vormals in Fachwerk errichteten Dachausbauten diesmal massiv erneuert oder verputzt; zumindest zeigt eine Variante der erwähnten Miniatur, die ihrerseits in zwei übereinstimmenden Exemplaren überliefert ist, diesen Zustand.
Nach dem Tod des Reichspfennigmeisters im Jahre 1571 erbten seine beiden Töchter Maria und Helena den Besitz. Die Schwiegersöhne Thomas Kötzler und Martin VI. Haller einigten sich darauf, ihn bis zur Abzahlung der Schulden gemeinsam zu behalten. Maria verkaufte ihren Anteil aber schon vorher an ihren Vetter Hans Jakob II. Daraufhin verklagte ihn Martin Haller 1586 vor dem Reichskammergericht; zwei Jahre später brachte er Ziegelstein ganz an sich. Sein Sohn Martin Carl Haller (1585–1652) hatte wie schon der Vater immer wieder Auseinandersetzungen mit dem Nürnberger Rat, weil er für sein Reichslehen Ziegelstein vergeblich die Hohe Obrigkeit beanspruchte und daraus Sonderrechte hinsichtlich Kirchweihschutz, Schankrecht usw. abzuleiten suchte.
Im 30-jährigen Krieg erlebte das Schloss seine dritte Katastrophe. Im Gegensatz zu den meisten anderen Nürnberger Herrensitzen, die bereits 1632/34 zerstört wurden, scheint es diese schlimmste Zeit überstanden zu haben. Ende 1642 jedoch, als drei in der Gegend einquartierte kaiserliche Kavallerieregimenter wieder abzogen, ging „das Schloß oder Herrenhaus zu Ziegelstein samt etlichen Bauernhäusern daselbst“ in Flammen auf. Diesmal wurde es nicht wiederhergestellt. Wohl über ein Jahrhundert blieb das Hallerschloss als Ruine liegen, während der Besitz über die Schlüsselfelder an die Imhoff gelangte [vgl. Ziegelstein II]. Ein Stich von Johann Ulrich Kraus nach einer Zeichnung von Johann Andreas Graff zeigt 1688 neben dem zerstörten Schloss, dessen Mauern noch bis zum Ansatz des ersten Obergeschosses standen, einen kleinen Fachwerkbau. In diesem Weiher- oder Fischerhaus „auf dem alten Schloß“ wohnte 1766 der Gärtner Thomas Röthel.
1809 wurde das Haus (damals Nr. 7, später Ziegelsteinstraße 201 a) mit der ehemaligen Burgstelle – die Ruine war inzwischen abgebrochen, dort lag jetzt ein Acker, „Altes Schloss“ genannt – von Johann Sigmund Georg Imhoff an den Tagelöhner Johann Adam Flohr verkauft. Die Weiher- und Grabenanlage ist aber noch auf dem Urkatasterplan von 1825 zu sehen. Nach deren Verfüllung war hier noch lange eine kreisrunde Bodenerhebung zu erkennen, die seit den 1950-er Jahren als ehemaliger Turmhügel gedeutet wurde. Erst im ausgehenden 20. Jahrhundert wurde die Burgstelle größtenteils modern bebaut.
Quellen
StAN Rst. Nbg., Handschriften Nr. 198. Rst. Nbg., Ratsbücher Nr. 10, Bl. 67, Nr. 28, Bl. 20, 114 v, 232, 323, 338 v. Rst. Nbg., Verlässe der Herren Älteren Nr. 3, Bl. 179. Rst. Nbg., Rechnungen des markgräflichen Krieges Nr. 95, 96. Rst. Nbg., Waldamt Sebaldi I Nr. 374.
GNM-A Imhoff-A Teil II Nr. 31.
HallerA Urkunden und Akten Ziegelstein (Reichslehen VI); Salbuch Ruprecht Haller 1488.
Bayerisches Hauptstaatsarchiv Reichskammergericht Bd. 4 (= Bayer. Archivinventare Bd. 50/4). München 1998, Nr. 1493; Bd. 11 (= Bayer. Archivinventare Bd. 50/11). München 2004, Nr. 4581.
Gelegenhait, Nr. 718, 1945.
Müllner I, S. 315; II, S. 433; III, S. 277.
Literatur
Friedel, Birgit: Ziegelstein – Eine Siedlung des 10. Jahrhunderts. In: Friedel, Birgit / Frieser, Claudia (Hg.): Nürnberg. Archäologie und Kulturgeschichte. Büchenbach 1999, S. 43-47.
Gumpert, Karl: Frühmittelalterliche Turmhügel in Franken. In: Jahresbericht des Historischen Vereins für Mittelfranken 70 (1950), S. 94.
Pfeiffer, Gerhard: Die Offenhäuser der Reichsstadt Nürnberg. In: JffL 14 (1954), S. 156 f, 166 f, 171.
Rusam, Dorfkerne, S. 313-320.
Ruthrof, Renaissance, S. 39 f.
Schornbaum, Karl: Die Kapelle in Ziegelstein. In: MVGN 43 (1952), S. 487.
Stadtlexikon Nürnberg, S. 397, 1212.
Truckenbrot, Michael: Nürnberg im dreißigjährigen Kriege. Nürnberg 1789, S. 173 f.
Abbildung
Ansicht der Schlossruine im späten 17. Jahrhundert, Kupferstich von U. Krauß nach einer Zeichnung von J.A. Graff um 1690 (HallerA)
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